Fahrt nach Feuerland
Dienstag, 18. Dezember 2001

Sonnenuntergang: 21:15 Uhr

Wir standen auf und frühstückten so gegen Neun. Als ich mir morgens die Fresse gespült hatte und ein Handtuch aus dem Koffer zog, war Ines ganz entzückt darüber. Es war nämlich rosarot und hatte Spitzen und wollte so gar nicht zum eher martialischen Aussehen der übrigen Ausrüstung passen. Na, wenn schon, hauptsache, es macht trocken. Wir tankten in San Martin, spülten das Geschirr, füllten die Wasserkanister auf. Langsam mußt das Diesel auch billiger werden, daher tankten wir nur das Nötigste. Um halb Elf ging es weiter (km 712.017). Nun stieg die Landschaft an. Ich hatte in der Früh beim Umräumen, aus dem Gepäck eine EAV-Kassette rausgezogen. Die lief jetzt. Paßte auch eher zur Landschaft, als ein Tango, denn wenn man es nicht wüßte, würde man auf Schweiz oder Österreich tippen.

Anstieg nach San Martin de los Andes.

Nun ging es also los, wir waren im schönsten Teil Argentiniens, jede Menge Nationalparks lagen vor uns. Eigentlich wollten wir, dem Rat Thorstens folgend, auf den Vulkan Villa Rica hinauf. Allerdings ließen wir von dem Vorhaben ab, da es 35 US$ pro Person gekostet hätte. Das ist ein wenig teuer. Es gab ja noch andere Sachen zu sehen. je weiter wir fuhren, desto heimischer kam ich mir vor, es näherte sich fast schon der Grenze des Unangenehmen. Doch bald schon war es wieder gewiß, daß wir nicht in der Schweiz waren: Die Straße hörte auf und wir kamen auf eine Schotterpiste. Sie war ein wenig eng, aber nicht schlecht zu befahren. Keine Schlaglöcher, das war schon mal die Hauptsache. Wir waren bisher vielleicht eine Stunde unterwegs und nahe der chilenischen Grenze. Wir fuhren eine halbe Stunde und die Gegend war so schön, daß wir uns für eine kleine Pause entschieden. Wir sahen ein Schild, der diesen Platz als freien Campingplatz auswies. Im Unterschied zu Mitteleuropa durfte man sogar Feuer machen, stand eigens drauf. Aber nur hier und nicht woanders. Ich taufte die Gegend einfach mal Oberbayern II, da ich nicht wußte, wie sie wirklich hieß. Sah eben genauso aus, was mir Almut nicht bestätigen konnte, da sie noch nie in Oberbayern gewesen. Die überrascht mich immer wieder. Als wir damals nach Afrika losfuhren, erzählt sie mir, sie sei noch nie in Italien oder Spanien gewesen. Libanon, Syrien, die übelsten Länder kannte sie, aber die, bei denen man davon ausgeht, daß sie ein jeder schon einmal sah, die waren ihr völlig fremd. Wir blieben erst mal da und machten Brotzeit. Eigentlich sollte man hier über Nacht bleiben, wer weiß, ob wir weiter unten nochmals so ein idyllisches Plätzchen finden. Die Temperatur war genau richtig, es wehte ein frühlingshafter Wind, der Löwenzahn blühte, die Berge erhoben sich im Hintergrund, es duftete nach Tannengrün und Diesel, ein Bächlein rauschte... Almut und Ines trugen irgendwann mal vorsichtig vor, daß sie eigentlich dafür wären, daß wir heute einfach hier blieben, natürlich nur, wenn es mir nichts ausmachen würde. "Ich wollte grad das gleiche fragen. Trifft sich nämlich ganz gut, denn dann kann ich schnell nach Chile rüberfahren und meinen Aufenthalt erneuern. Der lief nämlich am 26. Dezember ab. Wir mußte zwar auf dem Weg nach Feuerland sowieso über die Grenze, aber es war fraglich, ob wir das bis dahin schaffen würden. In jedem Falle hätten wir dann wieder Termindruck gehabt und das braucht man auf Reisen eigentlich nicht. Es reicht ja, wenn der Rückflug diesen Druck ausübt.
Wir suchten uns einen Nachtplatz, fanden ihn gleich, etwas weiter hinten, weg von der Straße. Dort baute ich das Zelt auf, während Ines und Almut im Fluß die Wäsche wuschen. Ich freute mich auf meine "Kapflasche". Das war eine Flasche Ettaler Klosterlikörs, die ich mir vor der Abfahrt in Augsburg gekauft hatte, um sie am Kap der Guten Hoffnung zu köpfen. Das hat ja nun nicht geklappt, aber deshalb sollte sie ja nicht aufhören, eine Kapflasche zu sein. Wird sie eben bei Kap Horn geköpft, hat nicht weniger Stil. Ich wollte sie schon mal mit Andacht aus den unendlichen Tiefen des Kofferraums hervorholen, stellte aber dabei fest, daß sie zu einem Viertel ausgelaufen war - genau in meine Bordapotheke. Ich warf alles in den Fluß, was Wasserdicht war und reinigte jedes einzelne Teil, dann wurde alles wieder aufgeräumt. Das Zelt stand gleich - mittlerweile hatte man ja einige Praxis, dann fuhr ich um 16:00 Uhr los die Piste ging einige Male steil aufwärts, wieder das komische Klopfen, die Rauchfahne und die unnatürlich hohe Beschleunigung. Was das nur sein mochte? Nach etwa 40 Kilometern hatte ich wieder Asphalt unter den Rädern. Zwei Stunden und zehn Minuten und 55 km nach Abfahrt bei der Stellung, war ich an der Grenze. Der Zöllner gab mir einen Zettel, den ich ausfüllen sollte für die Einreise nach Chile. Ich fragte, wie weit denn die Grenzstation sei. "So ca. 60 km". Da sagte ich ihm, ich bräuchte den Zettel nicht, "ich dreh nur kurz um und reise wieder ein". Er nahm seinen Zettel wieder und schickte mich zum Zoll. Neben mir stand da ein französisches Ehepaar. Die beiden waren in Buenos Aires losgefahren und wollten nach Chile. Sie hatten ein Auto mit argentinischem Kennzeichen. Das durfte nicht aus dem Land. Sie hatten keine "Vollmacht". Soweit ich es mitbekommen hatte, war ihre Reise hier zu Ende. Was sollen sie hier irgendwo im Nirgendwo ohne Auto? Dann kam ich an die Reihe. Der Zöllner fragte mich nach den Fahrzeugpapieren, ich gab sie ihm. Er gab sie mir gleich wieder und fragte nach den argentinischen Papieren. Ich legte sie ihm wieder hin: "Hier Fahrzeugschein, hier Zollpapier." Er sagte ganz langsam und betont: "Ich will den argentinischen Fahrzeugschein sehen". Argentinischer Fahrzeugschein? "Sowas hab ich doch nicht, woher denn auch? Ist deutsches Auto, nicht argentinisch..." Er zeigte auf dem vom Zoll ausgefüllten Zettel auf die Stelle, wo AAA697 zu lesen stand und sagte: "Ja, aber das Kennzeichen ist argentinisch" Hier lag der Fehler: Argentinische Kennzeichen haben drei Buchstaben und drei Zahlen, alles ohne Bindestrich. Ich widersprach: "Nein. Ich deutsch, Auto deutsch, Kennzeichen deutsch, Vater deutsch, Oma deutsch, also Papiere auch deutsch." Er fragte mich, welches Auto es denn sei. "Das da, direkt vor der Tür", woraufhin er rausging und das Kennzeichen untersuchte. "Ja, hast Recht, war ein Mißverständnis. Wo fahren Sie hin?" Ich fahr nach Argentinien, melde gehorsamst. "Du kommst doch grad aus Argentinien, jetzt fährst Du nach Chile. Wohin in Chile?" Ich wiederholte: "Nein, ich fahre nicht nach Chile, sondern nach Argentinien, ich fahr nur kurz raus und wieder rein, weil meine 90 Tage im Paß abgelaufen sind. Doch sehen Sie? Das Auto darf 8 Monate bleiben, geht es also, daß ich das Auto einfach hier an der Grenze stehen lasse, einmal nur mit meinem Paß um das Häuschen laufe und wieder einreise, dann sparen wir beide uns einen Haufen Schreibarbeit." Er stimmte mir zu, daß das das Vernünftigste wäre, aber in dem Fall müsse ich eine Zollerklärung ausfüllen, dafür, daß ich das Auto zeitweilig im Land lasse und selbst ausreise. Sonst kommt alles durcheinander, wenn der Computer feststellt, daß ich ausgereist bin, das Auto aber nicht, und wenn es nur für zwei Sekunden ist. Also gab ich meinen Zollzettel ab, fuhr ums Häuschen und füllte einen Neuen aus. Dann war die Bahn wieder frei und ich fuhr zurück zur Stellung.

S 40°29,242' / W 71°35,747'  - km 712.277
Das Bild schoß ich noch vor der Fahrt zur chilenischen Grenze.

Als ich dort ankam war es bereits 22:10 Uhr und somit dunkel, Almut und Ines hatten ein Lagerfeuer gemacht. Sie hatten noch Orangen dabei und ich hatte noch eine Flasche Cachaça aus Brasilien. Daraus mixten wir uns einen "Longdrink" fehlte nur das Eis, aber in diesen Breiten geht's auch gut ohne. Schade, daß die beiden solche Zufrühinsbettgeher sind. Ich hätte gern noch fortgewacht, um so gelahrt mit ihnen mich zu besprechen, aber macht ja nichts, morgen ist auch noch ein Tag. Ich hatte es heute insgesamt zwar doch auf 260 km gebracht, aber wir waren insgesamt nur 73 km vorgerückt (km 712.277). Das sollten wir in Patagonien aber wieder ausbügeln, da heißt es dann Kilometerfressen.


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