Fahrt nach Feuerland
Sonntag, 16. Dezember 2001

Sonnenuntergang: 20:39 Uhr

Wir fuhren in der Früh nach einem Frühstück gleich weiter. Almut fragte in Ihrer stets höflichen, möchte fast sagen englischen Art: "Sag mal, macht's Dir was aus, wenn Ines und ich vorauslaufen?" Natürlich macht's mir nichts aus, aber ihnen sollte es was ausmachen, schließlich geht man nicht zu Fuß, wenn man fahren kann, oder, wie der Schwabe sagt; "besser schlecht gefahren als gut gelaufen", aber damit braucht man Almut nicht kommen, die läuft wohl "zum Spaß". Ich räumte also noch das Zelt zusammen, während Almut und Ines vorausliefen. Wenig später holte ich sie ein. Wir fuhren weiter, es war 10:55 Uhr, kurz vor Eilf. So ging es ein paar Stunden gemütlich vor sich hin. Um Punkt Zwölf passierten wir die Grenze zur Provincia La Pampa (km 710.940). Der Daimler sang vergnügt, wir lachten und scherzten, es gab immer noch viel zu erzählen. Und wie wir da so gemütlich tuckern, verreißt es uns da den vorderen rechten Reifen.

12:30 Platten - S 36°32,263' / W 65°50,500'
Meine Güte! Geht das Theater schon wieder los?

Eigentlich ist das mit dem Reifen nicht wirklich schlimm, damit rechnet jeder normale Mensch, der mit Reifen unterwegs ist, die immerhin schon 75.000 Km runter haben und das nicht eben auf deutschen Asphaltstraßen. Nicht so ich. Jetzt standen wir ohne Ersatzrad sprichwörtlich Mitten in der Pampa. Anhalten - was sollten wir sonst auch tun? - und das Rad abnehmen. Anschließend recht blöd schauen. Ich fragte mal in die lustige Runde, ob jemand aufgepaßt hat, wann wir das letzte Kaff passiert hatten. Keiner hatte einen blassen Schimmer. War da nicht vor 7 km eines? Nein, das muß in Tunesien gewesen sein, bloß nichts durcheinanderbringen und in die falsche Richtung loslatschen. Wohin man schaute, man sah nichts. Keinen einzigen Anhaltspunkt. Wie man nur so blind durch die Gegend schaukeln kann. Blieb nichts anderes übrig, als zu wetten. Alte Tradition. Wir warteten darauf, daß jemand vorbeikam, der mich mitnahm bis zum nächsten Dorf, falls es sowas hier gibt.

km 710.984
So sieht ein Reifen aus, den man "runtergefahren" hat.

Bei dem Reifen war jeder Versuch einer Wiederbelebung reinster Irrsinn. Es dauerte eine Weile, aber es kam aus Richtung Santa Rosa ein Auto, das sofort anhielt. Darin saß ein netter alter Herr, der uns fragte, ob er uns etwas helfen könnte. "Ja, sie könnten mir sagen, wie weit das nächste Kaff ist." Ich zeigte in die Richtung aus der wir gekommen waren. Er meinte aber, daß dort erstens nichts sei und wenn, dann sicher geschlossen, weil ja Sonntag ist. Aber in Santa Rosa ließe sich sicher was finden. Er könnte mich mitnehmen. Das war mal ein Angebot. Ich nahm den Reifen und ein plattes, aber nicht unrettbar verlorenes Ersatzrad und stieg ein. "Paßt's mir fei ja gescheit auf das Auto auf". Es ging los. Er wollte eigentlich hinausfahren, um bei der Ernte zuzuschauen. Ihm war langweilig. Er zeigte auf die Schnurgerade Straße und meinte, das sei die Straße, wo sich die Porteños, die Buenosairiner, sozusagen, sich derrennen ("Aqui es donde se matan los Porteños"). Bis nach Santa Rosa waren es noch 60 km. Keine Ahnung, wie ich wieder zurückkommen sollte. Wir suchten nach einer offenen Werkstatt und fanden sie schließlich am anderen Ortsende. Er flickte den kaputten Reifen, den ich mitgenommen hatte und montierte den auf die Felge des völlig zerstörten. Der hatte was mitgemacht, kein Wunder, daß er so enden mußte. 75.984 Kilometer hatte er abgespult. Ich dachte mir nur, daß es nun soweit sei. Die Reifen sind alle gleich alt, haben gleich viel mitgemacht und jetzt ist die Zeit gekommen, da sie nacheinander ihren Geist aufgeben werden. Und noch waren wir auf den guten Straßen unterwegs, das würde schon noch anders werden weiter südlich. Der alte Herr meinte, ich soll den Reifen in den Kofferraum tun, er fährt mich wieder zurück. 60 Kilometer! Ich rechnete zusammen, was ich ihm hinterher an Geld schuldig war. Doch als wir ankamen, wollte er keines Annehmen. Gut, dafür bekam er eine Schachtel echter deutscher Pralinen. Wir bedankten uns sehr herzlich und ich machte mich daran, das Rad zu befestigen.
Um Viertel nach Drei, fast drei Stunden später, konnte es endlich weitergehen. Wieder kein Ersatzrad. Aber nicht nochmals. Gegen 16 Uhr kamen auch wir schließlich in Santa Rosa an, fuhren zum gleichen Reifentandler und ließen das zweite Ersatzrad flicken. Der erste Reifen seit der Abfahrt in Augsburg wurde hier entsorgt.
Keine besonderen Vorkommnisse für den Rest des Tages.

S 37°38,496' / W 66°58,097' - km 711.350
Um 22.45 fanden wir einen Nachtplatz.

Der Wind fegte ungehindert über das flache Land. Ich ließ die Luft komplett aus den Stoßdämpfern, das Auto sollte möglichst nahe an den Boden, dann stellten wir die Gepäckstücke zwischen die beiden Räder auf der Beifahrerseite damit wir nicht den ganzen Sand abbekamen. Das hatten wir in Libyen eingeführt und es hatte sich bewährt. In der Nacht wurde es empfindlich kalt, ich wachte mehrmals zitternd auf und zog mir meinen Norweger an. Half natürlich nicht viel. Aber die Nacht war auch irgendwann rum. An unserem nachtplatz sammelten sich tausende von Faltern und verkrochen sich in jeder Nische.
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