Südamerikatour 2001
Dienstag, 14. August

Am Morgen weckte uns dann der Motorenlärm mehrerer LKW und Bagger noch vor ihren freundlichen Fahrern. "Sakrament! Was geht denn jetzt?" Unser Nachtlager war wohl eine Sandgrube der hiesigen "Straßenbaugesellschaft". Es täte ihnen sehr leid, daß sie uns wecken müßten, aber wir stünden leider etwas im Weg. Wenn wir etwas zur Seite fahren würden, könne er arbeiten und wir seinetwegen weiterschlafen. Klar kein Problem... nur der Daimler wollte nicht so recht. Irgendwie war dem guten Benz die Nacht zu kalt gewesen und in über 4.000 die Luft zu dünn, dazu noch das dicke 25W50 Motorenöl aus Brasilien und schon hat man den Salat. Also, Motorhaube auf und die Sonne zwecks Erwärmung auf den Motor scheinen lassen. Das dauert... aber bei so einem Schwätzchen vergeht die Zeit doch gleich viel schneller.

Der Benz war schon in den letzten Tagen sehr schlecht angesprungen. Das Schlaueste in so einem Falle ist es, den Motor einfach übernacht laufen zu lassen, was aber durch die Anwesenheit Gabis verunmöglicht wurde. Daher hatte ich uns in weiser Voraussicht an einen Hang gestellt. Leider reichte der Schwung aber nicht aus, um den Motor zum Anspringen zu bewegen. Nachdem ich die Batterie leergeorgelt hatte standen wir da wie der Ochs' vorm Berg. Ein LKW-Fahrer, der ohnehin zu seiner Station zurück mußte, wollte schauen, ob er nicht irgendwie ein Starthilfekabel auftreiben konnte. Ich unterhielt mich derweil mit dem Chef der Baustelle über dies und jenes. Nebenbei erfuhren wir, daß wir uns zwischen drei Vulkanen aufhielten, dem Pichu-Pichu, Misti und Cochani, alle über 5.600 Meter hoch. Der Pichu-Pichu war noch aktiv und hatte eine weiße Dampfwolke über sich schweben. Irgendwie fehlt dieses Bild aber.

Ich hatte Kopfschmerzen - hab ich sonst nie, was soll da weh tun? Das muß die Höhe sein. Ich wunderte mich, wie es sein konnte, daß diese Bauarbeiter hier oben rumhüpfen wie die Benzinkanister und so tun, als wären wir alle am Strand. "Gewöhnungsache", meinte er, "die Camps wechseln Monatsweise, so, daß man sich nach und nach daran gewöhnt. Ihr seid innerhalb einiger Stunden hier hochgefahren, da merkt man das schon. Aber in Deinem Land gibt es doch auch hohe Berge. Da sind doch die Alpen, irgendwo. Wie hoch ist der höchste Berg Deines Landes?" Ich erklärte ihm: "Also... heutztage hat der höchste Berg ungefähr 2.996 Meter." Er grinste und erklärte mir, er hätte eingentlich Berge gemeint... Was soll man da sagen? "No soy andino, soy alpino..."

Er meinte, wir sollten unbedingt im nächsten Kaff anhalten und einen Kokatee trinken. Es sei gefährlich, so zu fahren, denn die Piste sei nicht überall so gut, wie hier. "Wo ist die Piste hier gut?" - ach, lassen wir das... Man könne abrutschen, wenn man nicht aufpaßt und wenn man erstmal so einen Tausendmeter-Abgrund erwischt, dann braucht man keinen Krankenwagen mehr. Den letzten hab ich nebenbei in Santiago gesehen. Ob das denn oft passiert, daß einer abrutscht? "Ja, mit LKW schon relativ oft. Die Städter seien die Höhe auch nicht gewöhnt, ihnen wird dann schwindlig (oder sowas) und bevor sie schauen, haben sie sich vertan und sind zu nahe an den Rand gekommen." Das merkt man normalerweise gleich, wenn die Piste nachgibt, nicht aber, wenn man so einen Druck im Schädel hat. Wenn man es merkt, dann versucht man instinktiv das Lenkrad herumzureissen, weg vom Abgrund, aber das Gewicht geht natürlich auf die andere Seite und - Juhuuu! - es geht abwärts ohne Bremsen, dafür mit Pauken und Trompeten. "Mit PKW passiert das hier eigentlich eher selten, weil die fahren die andere Strecke, obenrum." Ich beschloß, die Information mit dem Kokatee weiterzugeben, die Sache mit dem Abrutschen behandelte ich lieber vertraulich. Muß nicht gleich die ganze Besatzung wissen, am Ende meutert sie noch und ich muß mich fügen, denn wer zahlt schafft an. Jetzt sind wir schon hier, jetzt wird auch weitergefahren, ich mach das schon irgendwie.

Besonders witzig fand ich, daß die Bauarbeiter uns erzählten sie alle große Fans von unserem Kaiser seien... Kaiser? Hört mal, Jungs, ich will euch ja keine schlechte Bildung vorwerfen, aber einen Kaiser gibt es in Deutschland nun wirklich schon lange nicht mehr. Dabei habe ich selbstverständlich unseren Kaiser Franz Beckenbauer vergessen - und genau den meinten sie natürlich.
Der LKW war wieder zurück, doch ein Starhilfekabel war im Camp nicht aufzutreiben und der Benz wollte auch zwei Stunden später noch nicht anspringen...

...da boten uns die Bauarbeiterjungs eine Abschleppaktion mit so 'ner Art Bagger an.

Rückwärts mit dem Bagger den Hang wieder hoch, ausklinken, Schwung nehmen, zweiten Gang rein Kupplung loslassen. Cool! Hat geklappt, Auto läuft wieder. Jetzt volle Kraft voraus nach Juliaca. Volle Kraft heißt hier: 8 km pro Stunde!

Flamingos Flamingos Das alles und noch viel mehr kann man sich sparen, wenn men eben den Motor laufen läßt. Und hier haben wir wieder ein Paradebeispiel falschverstandenen Umweltgedankens: Die paar Rußpartikel, die der Motor in sechs Stunden hinten rausbläst, sind biologisch abbaubar. Gesetzt den Fall, es schadet dennoch der Umwelt: Der hätten die paar Partikel aus dem kleinen Auspuff des Daimler jedenfalls weniger geschadet als die tiefschwarzen dicken Wolken, die der FIAT-Bagger in die Luft blies, nur um uns wieder den Hang hinaufzuziehen. Doch mit solche "Argumente" kann man sich getrost sparen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die mit Frauen Diskutieren. Entweder sie tun, was man sagt, oder man tut, was sie sagen. Wer der Vernunft eine Gasse bahnen möchte, sollte Ersteres anstreben, doch wer die Ruhe liebt, entscheide sich für Letzteres.

Nachdem wir die Startzeremonie an der Baustelle absolviert hatten - und Gabi auch daraus keine Lehre zog, kamen wir an einem Salzwassersee vorbei. Der Motor hatte noch nicht mal Betriebstemperatur. Den See hatte der Bauarbeiter erwähnt, weil es nämlich dort Flamingos gibt. Das sei das Wappenthier Perus, daher sei auch die Flagge Rot-Weiß. Da ich es schon in Mauretanien verpaßt hatte, einen Flamingo abzulichten, wollte ich die Gelegenheit nicht nochmals sausen lassen. Ich stellte das Auto am Pistenrand so ab, daß es sich nicht selbständig macht (die Handbremse hatte sich immer noch nicht von selbst gerichtet), ließ den Motor laufen (die Batterie kann nach den paar Metern noch nicht geladen sein), wechselte den Lauf der Kamera und ging etwa 2 oder 300 Meter in Richtung See. Schön leise und immer den Blick auf die Viecher gerichtet, die ich nicht aufzuscheuchen wollte. Vielleicht hätte ich auch noch ein bißchen schauen sollen, wo ich hinlatsche, denn plötzlich haut es mich fast hin und ich stellte fest, daß ich zwar noch stand, aber knöcheltief im Wasser. Was ich noch feststellte war, daß meine Springerstiefel nicht wasserdicht sind. Die Teile sind sogut wie neu, ich hab sie mir erst 1999 gekauft und sie hauptsächlich zum Gasgeben, Bremsen und Kuppeln genutzt. Und die idiotischen Politiker schicken die Jungs mit so einer minderwertigen Material in den Kosovo. Wenn die Stiefel schon minder sind, wie ist dann erst die Ausbildung? Gottverdammte Sauzucht! Kein Wunder, daß der Leopard gegen den gelben Lada damals keine Chance hatte. Wenn nicht das ZDF dazwischengegangen wäre, dann hätte es wahrscheinlich Tote gegeben. Ich ließ mich allerdings nicht beirren und stapfte fluchend weiter, während sich das eiskalte Wasser im Schuh ausbreitete. Als ich schon fast in Schußnähe war müssen mich die Viecher bemerkt haben, denn sie flatterten alle auf einmal auf und davon und begaben sich weiter in den See hinein. Was soll's... lieber ein schlechtes Bild mit nach Hause nehmen als gar keines. Danach stapfte ich wieder den ganzen Weg zurück. Das Auto schien sich mit jedem Schritt zu entfernen. Körperliche Anstrengung sollte man hier einfach den Hochlandindianern überlassen und nicht hier als Alpenvorlandbewohner den dicken Max markieren wollen. Das haut einen nämlich lausig schnell um.

Eines der vielen Andendörfer.

Wir hatten schon vorher beschlossen, dem Rat des Bauarbeiters zu folgen und wollten irgendwo einkehren, um uns ein Frühstück servieren zu lassen. Etwa eine Stunde nachdem wir losgefahren waren kamen wir zu einem Dorf. Der Bauarbeiter hatte uns gesagt, es sei nur 9 km entfernt, nur sind hier halt neun Kilometer eben neun lange Kilometer über Stock und Stein. Da braucht man schon mal eine Stunde. Wir fanden auch sofort mehrere Häuser, die auf Tafeln und Plakaten Frückstück anboten. Ich stieg aus und klopfte höflich und fragte, ob wir rinkommen könnten, um früh zu stücken. Die zierliche Frau lächelte verlegen, blickte auf den Boden und meinte "Nein." "Hmm... aber auf dem Plakat steht, daß es hier Tee gibt." "Nein", meinte sie noch verlegener, "gibt es nicht."

Arequipa - Juliaca
Weiter geht's. Immer weiter, soweit die Räder tragen.

Das versteh, wer will. Auf zum nächsten Häusle, war gleich ein paar hausnummern weiter. Dort wiederholte sich in etwa das, was wir schon beim ersten Haus erlebten. Gibt keinen Tee. Gut, dann halt nicht, aber ich fragte die Frau höflich: "Gute Frau, sagen sie mir bitte: Was soll denn das? Streikt das Dorf? Mögt ihr mich nicht? Oder gibt es wirklich keinen Tee? Wo kann ich denn hier einen Tee bekommen?" Im nächsten Dorf wird es sicher Tee geben. Sie hätte halt kein Wasser dafür. "Kein Wasser?" "Kein Wasser." Eigentlich sollte das nicht das Problem sein, ich hab etwa 120 Liter davon auf dem Dach, aber man will ja nicht aufdringlich sein und wenn mir schon auf NN die Energie fehlt, um mit Frauen über Sinnentleertes zu diskutieren, dann erstrecht hier oben. Nächste Haltestelle: Nächstes Dorf.


Teepause in einer kleinen Hütte mit zwei Tischchen. Jeder zwei Cocatees. Danach ging es uns wieder wunderprächtig, keine Höhenschwindelkankheit mehr, nichts. Vielleicht wäre hier ein kleiner Vortrag angebracht: Wer nämlich erwartet hat, daß man nach dem Trinken oder Kauen von Cocablättern in anderen Sphären schwebt, den muß ich leider enttäuschen. Ich habe mal einen Bericht im National Geographics Channel gesehen und da hieß es, daß aus diesen Blättern zwar der Rohstoff für das Kokain gewonnen wird, aber ein Mann von 1,80 und 80 kg müßte ungefähr eine Tonne Blätter auffressen, um eine Wirkung zu spüren. Ich nehme an, daß das noch niemand probiert hat und diejenigen, die es doch gemacht haben, die können nicht mehr davon erzählen, weil sie zerplatzt sind.

Arequipa - Juliaca
Von hier aus sah man die Trasse, die wir schätzungsweise Stunden später erreichten... Solch ein Anblick hilft immer, wenn es der Motivation zu gut geht.

Wir persönlich waren nur vom völlig unspektakulären Aussehen dieser Blätter etwas enttäuscht. Ich hätte schon gedacht, daß die irgendwie die Farbe mehrmals in der Minute wechseln würden wären und eine ganz bizarre Form hätten. Auch waren sie nicht Neongelb oder so, sondern halt grün, sehen aus wie Loorberblätter. Ich glaube, es war im Lonely Planet gestanden, daß die gelegentliche Bombardierung der Kokaplantagen durch die netten Amerikaner, bei den Leuten hier in etwa so rüberkommt, wie wenn Ghadaffi unsere Weinberge am Rhein bombardieren würde, um das islamische Alkoholverbot durchzusetzen. Aber der kehrt vor der eigenen Haustüre, während die Erfinder der Menschenrechte die restliche Welt zu "rulen" pflegen. Meiner Meinung nach gibt es auf der Welt kaum einen Fleck, in dem so wenig Kokain konsumiert wird, wie hier. Die Leute hier kauen ihre Blätter, trinken ihren Tee und stören niemanden. Wir taten es ihnen gleich, und der Tee ist fast farblos und schmeckt nach Tee, wie Kamille, nur nicht so intensiv und ohne Zucker hätte ich gesagt, es sei heißes Wasser. Aber das Kopfweh geht weg, man fühlt sich etwas munterer und der Hunger wird unterdrückt. Alles Sachen, die man hier oben brauchen kann.
Die Strecke war wirklich sehr schön. Sie führt durch das Altiplano, sieht streckenweise aus, wie in Mauretanien, kaum Vegetation und auch viele Stellen mit richtigem Wüstensand in Saharafarben, wie in Afrika.

Im Altiplano
Auch ohne Schilder herrscht hier Ordnung:
Einer nach dem anderen, der stärkere zuerst.
(Naturgesetz Art.1 Abs.2)

Aber in dem Moment, in dem man auf ihr unterwegs ist und nicht weiß, wann man wieder festen Asphalt unter den Rädern hat, dann ist das schon ein beklemmendes Gefühl. Man kriecht vor sich hin, sieht weit und breit nichts als Steine, Sand, Staub und kein Ende. Gottverlassen kommt man sich vor. Manchmal kann man weite Abschnitte überblicken und denkt sich. Da vorne sieht es wieder eben aus. Nachdem man dann, oft nach einer halben oder dreiviertel Stunde dort angekommen ist, stellt man enttäuscht fest, daß das geholpere doch noch, wer weiß wie lange, weitergeht.
Es gab auf dieser etwa 200 km langen Strecke Pistenabschnitte, die bestanden aus Steinen Kindskopfgröße und riesigen Löchern, die von den LKW und Bussen produziert werden. Auf dieser Strecke fährt ausschließlich Schwerverkehr, wir trafen keinen anderen PKW. Man mußte öfter mal in den weicheren Sand ausweichen, um von der Piste hinunterfahren, weil diese nicht zu machen war. Bei den meisten unmöglichen Abschnitten gab es aber eine Ausweichpiste, wie hier, zum Beispiel:

Links die Trasse, weiter links die "Alternativroute". Nur hinkommen mußte man eben. Hier suchte ich gerade den Weg, aber es blieb noch Zeit für ein Photo.

Manches Mal, allerdings, sah ich so ein Hindernis auf uns zukommen bei dem ein Blinder wußte, daß dort auch der letzte Trick versagen mußte. Das konnte das Auto nicht schaffen, es würde kippen, bzw. mit den Rädern in der Luft hängenbleiben. Dann suchte ich eine Ausweichmöglichkeit. Anders als in der Sahara, konnte man sich hier nicht nach den Spuren der Vorgänger, besser Vorfahrer richten, denn hier fahren, wie gesagt, keine PKW und LKW und Busse weichen nicht aus, sondern bleiben auf der Trasse.
Zum Kochen hielten wir einmal an, kurz vor Dunkelwerden. Altiplano heißt meines Erachtens übersetzt "Hochebene" (Alto = Hoch; Plano = Eben). Wir waren ziemlich hoch und es war ziemlich eben und wer dachte, dem Wind würde hier auch die Puste ausgehen, der hat falsch gedacht. Es pfiff und ein eiskalter Wind um die Ohren, selbst das auspacken des Kochgeschirrs war eine Qual. Der Benz wurde mit dem Heck in Windrichtung abgestellt. Das nur, weil ich es nicht darauf ankommen lassen wollte. Wenn die Baterie immer noch leer ist, dann gute Nacht. Aber wenn man die Türen aufmachte und sie schwuchtelhaft festhielt, dann riß der Wind sie aus der Hand und sie kamen ächtzend am Anschlag zum stehen. Das machte auch der Kocher nicht mit. Selbst, wenn die Flamme nicht ausging würde es Wochen dauern, bis der Reis weichgekocht sein würde. Hier probierten wir zum ersten mal, wie es ist, im Auto zu Kochen. Fenster zu, Kocher im Beifahrerfußraum postieren und anwerfen. Bei geschlossenen Fenstern nicht so ideal:

Der beißende Geruch des brennenden Spiritus nacht sich sofort im Inneraum breit.

Die Augen tränen, das Atmen wird unmöglich, ähnlich wie bei CS-Gas, nur etwas abgemildert, und die Fenster beschlagen sofort. Also ein Fenster auf. Aber nur eines und nur einen Spalt, sonst funktioniert das Patent nicht. Alle Raucher, die einen 123er fahren, wissen, wie das mit dem Dunstabzug funktioniert.
Hierbei fällt mir auf, daß ich schon lange mal erwähnen wollte, daß das fehlende Dreiecksfenster vorne ein weiteres dickes Minus dem Strichachter gegenüber ist. Ebenso wie die Mittelkonsole, diese beiden Sachen waren beim Vorgängermodell wesentlich besser durchdacht. Allerdings hätte sich beim Strichacht spätestens auf dieser Strecke der Tank längst verabschiedet.

Zurück zu unserer Kochaktion: Es klappte. Wir aßen Abendbrot, tranken Tee und fuhren bei Dunkelheit weiter. Es konnte nicht mehr weit sein, redete ich uns ein. Ich dachte auch, wir hätten das Gröbste bereits hinter uns. Stimmte eigentlich, nur war es halt nacht und ich erschrack nicht schlecht, als ich vor uns nur noch Wasser sah. Mitten auf der Piste. Keine Kurve, nichts, nur ein beleuchteter Weiher. Links davon ein Högel, rechts davon Abgrund. Die Lichtquelle waren die Scheinwerfer eines LKW, die Piste machte also eine Rechtskurve. Ich stieg aus, kletterte über den kleinen Hügel - zu Fuß kein Problem - und ging zum LKW-Fahrer. Ich fragte ihn, was die Scheisse soll. Konnte er mir uch nicht erklären, aber er meint, es sei nicht sehr tief, ich solle einfach durchfahren, wenn ich versacke, dann zieht er mich raus. Hört sich ja prima an. Mitten in der Nacht so einen Dreck uns in den Weg werfen...

Ich ging zurück, setzte mich in's Auto, streichelte das Armaturenbrett und sah mir das ganze an. Recht vorbei war völlig ausgeschlossen. Wer will schon wissen, wie weit es da hinuntergeht? Links vorbei könnte klappen. Ich fuhr langsam los auf den Hügel, über den ich zuvor zu Fuß gelaufen war. Doch die Vorderräder traten die Abfahrt an, während die Hinterräder noch nicht am Aufstieg waren, da setzte der Karren auf. Lag auf dem Hügel und der Mittelteil des Auspuffs muß irgendwie Bodenberührung gehabt haben, denn schon schepperte und vibrierte der ganze Karren. "Sapralot, Kruzifix Halleluja, Dreck, verreckter. Malefiz, aber auch!!!" Wieder zurück. Das ging gottseidank noch, sonst wäre die Piste für mindestens eine Stunde blockiert gewesen. Es hilft kein Zedern, es hilft kein Fluchen, mitten durch die Pfütze führte der einzige Weg. Ich nahm die Pfütze mittig mit leichter Tendenz nach rechts, weil rechts der Luftansaugstutzen ist und wenn der Wasser zieht ist alles aus. "Fluuuuteeeen!!!" Der Daimler tauchte gut weg, aber die Patschlach' war nicht so tief, wie ich angenommen hatte. Zum Glück.

Nach geglückter Pfützendurchquerung. Links der Abgrund, rechts der kleine Hügel. Der LKW fährt in die Richtung, aus der wir gekommen waren.

Der Sattelschlepper fuhr an, setzte zwar auch am Hügel auf, aber schaffte ihn. Er bekam aber auch gut Schlagseite, ein Wunder, daß er nicht gekippt ist. Ich fragte den LKW-Fahrer noch, wann der Asphalt endlich beginnen würde. "Cinco Quilometros". Cigarette in's Gesicht und weiter...
Nach fünf Kilometern, die mir endlos vorkamen: "Der Bschibil is ein Ligner..." Nichts war's. Keine Anzeichen von irgendeinem Asphalt. Nirgendwo. Aber was sollten wir schon tun, außer geradeaus weiterzufahren?

Und so erreichten wir endlich nach 14 ½ Stunden und genau 198 km um 1:00 Uhr Nachts wieder Asphalt.
Vorher war Besold allerdings mit dem Benz nicht weniger als drei mal aufgesessen, was ihm seiner Aussage nach noch nicht mal in der Sahara passiert ist. Und weiter sei dies die schlimmste Strecke gewesen, die er jemals gefahren sei. Naja, wenigstens landschaftlich war's sehr ansprechend. Das einzige was mich sehr gestreßt hat, war dieser andauernde Staub, der sich wirklich in jedem Quadratmillimeter im Auto und vor allem auch in meiner Nase breit machte. Wenn ein LKW uns überholte oder entgegenkam Hatten wir vor uns eine undurchdringliche Wand aus weißem Staub. Ich wünschte mir echt Regen, der den Staub niederschlägt!


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