Afrika 2000
Die Überfahrt
Montag, den 30. Oktober

Almut ging in der Früh spazieren und mit dem Käpt'n und mit Majeed, dem 3rd Officer zum Einkaufen, in der Fachsprache "Proviant ergänzen". Endlich mal Platz, ohne einengende Relings... Ich schlief aus, was soll ich durch die Gegend latschen wie so ein Blindgänger?
Almut dachte auch daran, unseren Zahnpastavorrat zu ergänzen und entdeckte eine Traubenzahnpasta. War für mich. Passt, schmeckt auch gut, solange man sie nicht hinunterschluckt...
Almut selbst ging es schon wieder viel besser, nur die Nase schien etwas verbogen. Das wollten wir nachher checken lassen. Irgendwann stand ich dann doch auf. Wir wollten ein paar Postkarten losschicken und einige Briefe, aber die Amsel hinter dem Tresen machte einen solchen Akt draus, daß wir fortan der Ansicht sein mußten, die Kommunikation sei in diesem Land im letzten Jahrhundert stehengeblieben. Eine Postkarte kostet, je nachdem, ob man eine "physische Person" ist oder eine "rechtliche" 1.23 R$ (Real) oder eben mehr. Nur gab es keine 1.23-Briefmarken, sondern man muß eine 1 R$, eine 0.20 R$ und drei 0.01 R$ -Marken nehmen. Es bleibt dann zwar kein Platz mehr für den Text, aber die meisten Leute sind hier wohl sowieso Analphabeten, so daß das weiter keinen stört. Wie einfach war es doch in Afrika. Dort mußte man lediglich darauf achten, daß der Typ hinterm Tresen die Briefmarken entwertet und nicht abzieht, um sie dem Nächsten zu verkaufen.
Ich holte im Supermarkt zwei Flaschen Guaraná. Habe ich schon lange nicht mehr getrunken. Ich nahm natürlich die Pfandflaschen und nicht die Wegwerfplastikflaschen.
Nachdem wir alles in der Kabine abgeladen hatten gingen wir los, um eine Werkstatt für Almut zu suchen. Wir fragten in einer Apotheke nach einem Nasenspengler und man schickte uns zum Krankenhaus, es war nicht weit weg. Hingegangen, angemeldet, gewartet, gewartet und endlich drangekommen. Es störte nicht weiter, daß die Almut jetzt Alnup hieß, wir ließen sie einfach mal machen. Ich ging freilich mit, weil hier keiner irgendetwas anderes spricht als Portugiesisch. Wir kamen zu einem Arzt aus Equador. Erste Frage: "Hat sie in letzter Zeit öfter mal Schläge kassiert." -"Nö. Die ist auf dem Schiff hingefallen." "Überleg Dir die Geschichte gut, falls Dich jemand fragen sollte..." Depp, moch dei Orbat... Ganz klar, erst mal röntgen. Gut, wir also hin und nach ewiger Warterei kam Alnup zum Röntgen. Ich wollte mit, aber ein Neger versperrte mir den Weg. "Ich muß mit zum Übersetzen" -"Sie braucht ja nichts sagen" Dann ist ja gut. Ich wartete und wartete und wartete. Irgendwann kam Alnup wieder und dann warteten und warteten und warteten auf die Bilder. Vier Stück "Was die alles wissen wollten. Keiner kann Englisch." Ach so, braucht nichts sagen, oder? Mit den Bildern gingen wir dann wieder zum Doktor. Er sagte, es sei alles in bester Ordnung, wenn die Schwellung weg ist, dann werde die Nase auch wieder gerade. Er verschrieb ihr irgendwas. Wir gingen zur Apotheke und holen das Zeug, dann gingen wir wieder auf das Schiff.
Am Abend lud uns der Käpt'n zum Essen ein. Das Restaurant war wirklich fein, hatte das Danziger Wappen am Eingang hängen. Beim Bestellen war es zwar ein wenig kompliziert, aber mit Geduld und Spucke geht fast alles. Wenn der Kellner was sagte, dann übersetzte ich es ins Deutsche, die Almut ins Englische und die Antwort nahm den selben Weg rückwärts, wobei sie sich oftmals den Umweg über das Deutsche sparte. Der Ventilator blies uns die Dosen vom Tisch. Als ich fragte, ob er denn das Gerät eine Stufe schwächer einstellen könnte, erklärte er, das die nächstniedrige Stufe das "aus" sei. Es funktioniert ja wirklich nichts. Wären da nicht die vielen Hellhäutigen, dann könnte man glatt glauben, wir wären in Angola oder Mozambik gelandet.


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