Türkeitour 1999
Dienstag, 6. April

Wir mußten nun dem Polizeichef erklären, was wir hier vorhatten. "Was zum Henker wollen deutsche Touristen mitten in der Nacht in einer Stadt wie Siirt, in der es nichts zu sehen gibt und die dafür bekannt ist, daß laufend Anschläge verübt werden?" Das wußten wir nicht. Wir wußten auch nicht, daß nicht weit entfernt, in Bingöl, einige Stunden vor unserem Eintreffen in Siirt, eine Bombe hochgegangen war. Die arabischen Einreisestempel in meinem Paß sprachen auch nicht gerade für mich. "Was haben Sie in Libyen gemacht?" wollte er wissen. "Urlaub" antwortete ich wahrheitsgemäß. Aber ich konnte ihn nicht überzeugen. Wer macht auch schon 10 Tage Urlaub in einem Land wie Libyen?
Ich hätte es an seiner Stelle ehrlich gesagt auch nicht geglaubt. Er sagte noch, ich würde ins Stadtbuch kommen, als erster Deutscher in Siirt. Es gab noch Essen, Tee und Zigarretten. Ich legte mich kurz hin. Wir wurden von den Polizisten sehr korrekt und höflich behandelt. Auch der Polizeichef war höflich und zuvorkommend, wir unterhielten uns lange, mit Zehra als Dolmetscher, über allerlei, auch über Politisches und Geschichtliches. Er fing an, mir irgendwas von den großartigen sozialen Ideen von Adolf Hitler zu erzählen, warum ich überhaupt auf die Idee gekommen sei, durch die Welt zu fahren, anstatt in Deutschland zu bleiben, Kinder zu produzieren und auf die Art und Weise für den Fortbestand des deustchen Volkes zu sorgen. Darauf wußte ich, so gefragt, natürlich keine Antwort. Als es ihm zu blöd wurde, schickte er mich aus dem Raum. Was dann geschah, erzählte mir Zehra hinterher: Er hätte sie gefragt, wie ich heiße. "Markus Besold", antwortete sie, ebenfalls wahrheitsgemäß. Er schlug einen anderen Ton an: "Ich frage Dich jetzt zum letzten Mal: Ich will wissen, wie er wirklich heißt." Sie war eingeschüchtert und antwortete: "Ich kenne ihn nur unter diesem Namen. Falls er einen anderen hat, dann weiß ich es nicht." Nach einer weile wurde ich wieder in den Raum geholt. Ob ich Hunger hätte. "Nein, danke. Ich bin nur müde." Er fragte, ob ich bei der Armee sei. "Nein", sagte ich. Stimmte auch. Die wollten mich damals nicht haben. Er winkte mich an seinen Schreibtisch. "Was ist das für eine Uniform?", fragte er und zeigte auf mein Paßbild. Verdammt. Das hatte ich glatt vergessen. Wie erkläre ich ihm das nun? "Das ist eine Uniform aus dem zweiten Weltkrieg", sagte ich. Und es stimmte auch, nur glaubte er mir halt nicht die Bohne. "Doch, schau, da sieht man sogar noch den Adler", versuchte ich es dennoch. Daß ich zu jung war, um am Kriege teilgenommen zu haben, das war nun offensichtlich. "Das war ein Scherz, den ich mir mit den deutschen Behörden erlaubt habe. Die Uniform ist verboten, aber wenn ich sie im Paßbild anhabe, dann habe ich immer einen amtlichen Nachweis, wie bescheuert sie sind, verstehen sie? Verbieten etwas, aber kapieren nicht, wenn es vor ihrer Nase liegt." Und wer gab ihm die Garantie, daß ich mir nicht gerade mit den türkischen Behörden einen Scherz erlaubte? Was soll man darauf antworten? Hin und her... Ende vom Lied: Wir mußten wieder abreisen, und zwar nach Westen.

Um 5:45 Uhr traten wir den Rückweg an. Bis zur Stadtgrenze mit Polizeieskorte. Hier mein und des Daimlers östlichster Punkt: Das Stadtzentrum von Siirt.

Um 9:00 Uhr (km 4.881) waren wir wieder in Diyarbakir und tankten, obwohl keine Notwendigkeit bestand. Ich packte den Schlafsack aus und haute mich an der Tankstelle aufs Ohr. Punkt Mittag ging es weiter. Wir fuhren wieder über Sanliurfa und Adana nach Tarsus, wo der Bruder von der Mitbewohnerin von der Ayse wohnte, den wir am nächsten Tag mit nach Alanya nehmen sollten. Die Fahrt verlief ohne weitere Zwischenfälle, an den Polizeikontrollstellen wurden wir durchgewinkt. Die Polizisten von Siirt riefen noch zweimal an, um sich zu erkundigen, wie es uns geht, wo wir sind und ob es irgendwelche Probleme gab. Die Autobahn ist bestens ausgebaut und bei der Maut handelt es sich um lächerliche Beträge (etwa 2,- DM pro 100 km). Dreispurig, in der Not verfügt sie also über 6 Fahrbahnen in jede Richtung, da nicht die Striche, sondern allein die Breite der Straße entscheidend ist. Und diese hier ist wirklich breit und hat einen babypopoglattem Belag, auf dem es sich Butterweich fährt. Um 20:00 Uhr (km 5.439) waren wir da.
In Tarsus angekommen erfuhren wir in den Nachrichten, daß in Adana ein Flugzeug abgestürzt war und daß es am Bayramwochenende 190 Verkehrstote gegeben hatte. Was beweist das? Daß die Türken im Gegensatz zu den Deutschen fahren können, denn 86 Verkehrstote am Osterwochenende in Österreich sind nicht schlecht, man muß das ganze nur prozentual betrachten.


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