Türkeitour 1999
Montag, 5. April

Heute wurde früher als gewöhnlich losgefahren, nämlich schon um 10:20 Uhr. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, daß ich zur syrischen Grenze mußte, jetzt, wo wir so nahe dran waren. Um zwölfeinviertel Uhr tankten wir in Gölbasi.

Wieder mußte ein Gebirge passiert werden.

Für türkische Verhältnisse waren die Straßen nicht einmal schlecht. Von rauhem Belag und nicht sehr breit, aber da sowieso nur sehr wenig, streckenweise gar kein Verkehr herrschte konnte man gemütlich vor sich hintuckern, Musik hören und man hatte meist Ruhe vor den Schlaglöchern. Besonders ärgerlich ist es halt dann, wenn man einfach darauf vertraut, daß die Straße in Ordnung ist, vor sich hinträumt, die schöne Landschaft anschaut und plötzlich ein einsames Schlagloch erwischt.

Am Atatürk-See
Die Kulisse des Atatürk-See mit den verschneiten Gipfeln im Hintergrund lud zu einer Mittagspause ein, die wir aber leider ausschlagen mußten.

Wir fuhren über Sanliurfa, wo es einiges zu sehen gab. Um 14:00 Uhr (km 4.204) waren wir dort und gingen los, um die Moschee zu besichtigen. Das ging nicht ganz glatt über die Bühne. Nicht nur, weil Frauen in den einen oder anderen Raum nicht betreten durften und ich allein da drin stand wie die Frau hinterm Steuer und absolut nichts peilte, sondern vor allem ob der stark okzidentalen Bekleidung meiner Begleiterinnen. Als sie dadurch schon bald unangenehm auffielen und den Zorn einiger Einheimischer auf sich zogen, zogen wir es gemeinsam vor, die Stadt zu verlassen, bevor irgendein Unglück geschehen konnte. Gefolgt von einer Meute Allah-Jünger, die fort "Unverschämtheit" schrien gelangten wir zum Parkhaus, rannten zum Auto, hinein in die Kanzel und Abflug. Die spinnen, die Islams... und es war nicht mal meine Schuld, denn ich unterschied mich kaum von den Einheimischen mit meinem abgeschuttelten Anzug.

Fahr zu. Passt schon.
Hier ein kleiner Einblick in die Verkehrsverhältnisse in Sanliurfa.

Vorgehensweise Straßenverkehr Türkei:
1. Den ganzen Schwachsinn, den man in der Fahrschule gelernt hat ganz schnell vergessen.
2. Hirn einschalten.
3. Zufahren, immer da, wo Platz ist und dorthin, wo man hinwill
3a. ggfs. etwas großzügig mit der Hupe umgehen.
Wir fuhren in Richtung Akçakkale. Je weiter man aus der Stadt kam, desto schlechter wurde die Straße. Bezüglich Schlaglöchern übertraf das Stück bis zur Grenze alles bisher dagewesene. Aber wir kämpften uns durch, die Hauptlast trägt schließlich der Daimler und der schien auch einverstanden.

Auf dem Weg nach Akçakkale
So sieht der Ortsausgang von Sanliurfa aus. Alles kaputt, wie fast überall im Osten der Türkei.

Der Durchschnittstourist, der mit dem Flugzeug anreist, zwei Wochen am Strand abflackt, bekommt solche Bilder in der Regel kaum zu sehen. Er will sie auch nicht sehen und ich verstehe ihn gut. Aber es gehört nun mal dazu. Für die 55 km auf gerader Strecke brauchten wir eine Stunde. Nicht, daß es mich gestört hätte, im Gegenteil, es macht schon alles Spaß, hier. Aber ich hierlt es für erwähnenswert, damit man sich eine Vorstellung machen kann, was man hier so unter "Straße" versteht. "Straße" ist schließlich für uns, die wir in Mitteleuropa leben höchstens ein politischer Begriff. Aber wenn man von "Straße" in Bezug auf Verkehr spricht, dann kann es schlimmstenfalls darum gehen, ob sie gesperrt oder voller Stau ist, aber unbedingt stimmt das, worauf man fährt mit den Einzeichnungen auf jeder billigen Straßenkarte überein. Nicht so in den meisten anderen Ländern. Hier ist "Straße" nicht gleich "Straße" und das wird hier sehr deutlich. Auf der Karte ein schöner, dicker, roter Strich, in Wirklichkeit eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern, die in einer Michelin höchstens ein dünner, weißer Strick sein dürfte.

Akçakkale. Hier wurde die Straße bewässert, damit es nicht so staubt.

Um 15.30 (km 4.260) kamen wir an der Grenze an. Sie war geschlossen, aber angeblich grundsätzlich passierbar. Kein Wort davon, daß das für Dieselfahrzeuge problematisch würde. Eher die türkischen Pässe stellten ein Problem dar, aber den Gedanken, nach Syrien hineinzufahren hatte ich schon aufgegeben, bevor ich ihn gefaßt hatte. Der Osten der Türkei schien interessanter. Ein netter Einheimischer mit Eselskarren (Bild oben) brachte uns unser Mittagessen und wir blieben bis 16:50. War nett, hier. Eine Führung durch die Grenzanlage gab es noch gratis dazu. Auch hier hatte ein Polizist einen Verwandten, der in Deutschland arbeitete. Scheint hier zum guten Ton zu gehören. Ich verhalte mich da meist sehr kooperativ, indem ich den Arbeitswilligen Türken nicht ihren Arbeitsplatz streitig mache. Ich weiß gar nicht, was die Leute immer so gegen Gastarbeiter haben. Das sind sehr bedauernswerte Menschen, wie der Name schon mehr als deutlich macht... Leute, die so ein schönes Land freiwillig verlassen und sich darum reißen, arbeiten zu dürfen. Da weiß ich auch nichts vernünftiges darauf zu antworten... "Bittesehr, kommt alle nach Deutschland, Arbeit ist genug für alle da, sie verfolgt einen direkt und man tut sich schwer, vor ihr wegzulaufen..."

Belichtung?
Mittagspause an der syrischen Grenze mit anschließender Führung. Im Hintergrund Syrien. Soweit mir bekannt ist, ist die Einreise für dieselbetriebene PKW mehr als nur kompliziert.

Wir fuhren wieder zurück in Richtung Norden, nach Sanliurfa. Diesmal war allerdings kein Aufenthalt geplant. Einmal reicht. Bei der nächsten Türkeireise unbedingt ein dunkles Bettlaken mitnehmen, damit man solchen unangenehmen Situationen aus dem Weg geht. So eine 50-Kilo-Frau ist schnell verpackt und verschnürt, so, daß nur noch ein Auge rausschaut.

Auspuff, ade!
Als ich den Endtopf bei einem augsburger Schrotthändler erstand, sagte er mir, ich solle mir schon bald einen neuen zulegen, da dieser höchstens noch 20.000 km halten würde. Nach über 340.000 - ausgerechnet mitten in Anatolien - fiel er ab - ein Opfer der schlechten Straßen. Die 20,-DM waren damals gut investiert worden. Der neue Endtopf wartete tatendurstig in der heimischen Garage jahrelang auf seinen Einbau.

Auf dem Weg - wir hatten noch kein festes Tagesziel - telephonierte Ayse mit ihren Bekannten in Siirt. Die sagten, wir könnten kommen. Sie sagten weiter, wir sollten auf gar keinen Fall die Straße, die über Batman führt nehmen. Dort würden nach sieben, acht Uhr, also nach Einbruch der Dunkelheit keine Autos mehr fahren würden wegen Terroristen. Also auf nach Siirt.
Um 19:30 Uhr erreichten wir Diyarbakir. Die Sonne war schon längst hinterm Horizont verschwunden. Polizeikontrolle am Ortseingang. Bremslichter überprüft. In Ordnung. Das finde ich übrigens sehr gut, das zeigt, daß türkische Polizisten denken können. Darauf ist noch kein deutscher Bulle gekommen, noch nicht ein einziges mal - und ich wurde bestimmt schon an die hundert mal angehalten - prüfte ein Bulle in Deutschland die Bremslichter. Wenn das Licht im Handschuhfach hinüber ist, dann stellt er einen Mängelbescheid aus, aber, um die Bremslichter, nach den Scheinwerfern die wichtigsten Lichter am Fahrzeug, hat sich nie einer geschert. Wenn man mal so einem Idioten, dessen Bremslichter nicht gehen drauffährt, dann darf man hinterher versuchen, einem deutschen Polizisten, der bekanntlich den IQ einer Packung Semmelbrösel hat, erklären, daß die Lichter schon vor dem Unfall kaputt waren. Viel Spaß, dabei.
Zurück in die Türkei: Der Polizist sagte (das wurde mir später übersetzt): "Ihr kennt das Volk, ihr kennt die Situation. Warum seid ihr hergekommen? Seid vorsichtig...". Vorsicht hin oder her. Tanken muß der Mensch, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und zwar glkeich jetzt in der Stadt, weil wir nicht wußten, wo die nächste offene Tanke war. An der ersten Tankstelle sagte Zehra: "Fahr weiter zur nächsten, hier lungern zu viele Kinder rum." Ich verstand das nicht: "Ja, und? Die Kick ich doch weg, wenn sie was meinen..." Die Antwort was eigentlich logisch: "Die Kinder schon, aber nicht die Verstärkung, die dann kommt." Also auf zur nächsten Tanke. Im Eiltempo wurde getankt und unverzüglich weitergefahren.
Nach einiger Zeit wurde die Strecke eigenartig, um nicht zu sagen unheimlich. Ich machte meine Beifahrerinnen darauf aufmerksam, daß uns seit geraumer Zeit, abgesehen von einigen überladenen und ab und an mal einigen umgekippten LKW am Straßenrand, kein Auto entgegengekommen war. Als wir uns einem Dorf näherten, das urplötzlich verschwand (Stromausfall. Alles stockdunkel.) wurde ich etwas nervös und ließ in der Karte nachsehen, ob wir denn nicht zufällig doch auf der zu vermeidenden Strecke waren, da wir nicht nach Karte sondern nach Beschilderung gefahren sind. Da wir keine Ortschaft, also auch kein Ortsschild und auch sonst keinen Anhaltspunkt fanden, konnte man es nicht so leicht feststellen.

Als wir im verschwundenen Dorf ankamen stand vor uns der Verkehr. Erst hielt ich abstand, doch als wir das als Polizeikontrolle identifizierten schloß ich möglichst nah auf. Sie hatten mehr gepanzerte Fahrzeugen als sonst üblich, es wurde also langsam spannend. Wieder wurden wir gewarnt. Es begann auch noch zu regnen und die Wischblätter waren längst schon zu Schmierblättern geworden. Weiter. Immer der Beschilderung nach Siirt folgend. Die Polizeikontrollen häuften sich. Einerseits beruhigend, weil die Polizisten sehr freundlich sind, andererseits sind die sicher nicht zum Spaß hier.
Irgendwann standen keine Gepanzerten Jeeps mehr da sondern Achtradpanzer. Das waren dann auch keine Polizeikontrollen mehr, sondern Militärkontrollen. Anscheinend muß es hier wirklich Terroristen geben, wozu sonst der Aufmarsch? Es wurde wieder mit Siirt telephoniert. Sie würden dem Posten an der Brücke bescheid sagen. Witz! An welcher von den zehntausend? Egal. Weiter...

Pässe, Kfz-Papiere vorzeigen, Kofferraum ausräumen. "Das sind doch Armeestiefel. Was willst Du denn damit?" sagte der Herr Militär. "Bergsteigen!?" "Ihr seid doch verrückt. In die Berge wollt ihr auch noch?" Durchsuchung fertig. Kippe ins Gesicht und weiter. Die Cigarette war noch nicht mal halb weggeraucht und schon die nächste Militärkontrolle. Das ging dann eine ganze Weile so weiter. Der letzte Kontrollposten vor Siirt bestand wieder aus Polizisten, von denen einer sogar Deutsch konnte. Sein Onkel arbeitet in Günzburg, das ist gleich bei uns um's Eck. Die Bekannten trafen ein und wir mußten auf die Polizeistation in der Stadt. Unsere Pässe fuhren bei der Polizei mit. Es war inzwischen 23 Uhr (km 4.685) geworden. Wieder Paßkontrolle.


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