Libyentour 1999
Donnerstag, 9. September

Auf der A8 war weitaus mehr unterwegs, als es im Reiseführer den Anschein erweckte. Wir waren nur knappe 60 km vom Pisteneinstieg weg und allein auf der Fahrt waren uns schon 2 Fahrzeuge begegnet. Das idyllische Bir Rimit scheint eine vielbesuchte Autobahnraststätte zu sein. Geweckt wurde ich vom Motorenlärm eines LKW, der einen zweiten im Schlepptau hatte. Kurz darauf schaukelte eine Touristengruppe mit 3 Range Rovern im Schrittempo vorbei. Irre ich nicht, so waren es Franzosen. Kaum waren die weg, kam ein alter Land Cruiser herangeschossen. Wohl Besuch für Mohammed. Aber nicht alle, die hier vorbeikamen, waren motorisiert.

Eine oder mehrere Herden Kamele mit den dazugehörigen Hirten tauchten aus dem Nichts auf und fanden sich in Bir Rimit ein, um Wasser zu tanken.

Kurz nach Mittag war wieder Motorenlärm aus der Ferne zu vernehmen. Rommels Panzerdivisionen? Wohl kaum. Aber dem Lärm nach zu schließen, könnte man meinen, das gesamte Afrika Korps wäre im Anmarsch. Beim Blick aus dem Fenster verriet die Zusammenstellung der Fahrzeuge, daß es sich wieder um Touristen handeln mußte: Drei Geländefahrzeuge vorneweg und ein LKW, konvoyartige Formation, alle schön in Reihe mit Sicherheitsabstand, wie es im FF steht. Schweizer oder Deutsche? Bei dieser mustergültigen Ordnung gab es nur diese beiden Möglichkeiten. Sie kamen näher und hielten an der Pumpstation. Es waren Deutsche: Ein MAN Versorgungslaster aus ED (Erding), ein 290 GD aus RO (Rosenheim), ein weiteres G-Modell (Benziner) aus SE (Segeberg?) und ein Land Rover Defender aus LI (Lindau). Ein Franzose war der Reiseveranstalter und saß im Diesel G, der Hera unter den Automobilen. Er kannte Mohammed schon seit zwei Jahren. Insgesamt waren es 9 Mann/Frau. Pro Auto 2 Mann, vier Fahrzeuge, alles streng durchorganisiert, nur auf dem Weg ins Akakus, aber so, daß man meinen könnte, es ginge an die Front. Einige von ihnen standen um mein Auto herum und konnten es nicht fassen, daß wir uns zu dritt und mit nur einem Fahrzeug, das auch noch so alt ist, hierher gewagt hatten. Und als sie den Kilometerstand (619.053 km) erblickten, zweifelten sie an unserem Verstand. Derweil hat doch die Sahara schon längst ihren Schrecken verloren. Kalr, kann man auch heute noch in heikle Situationen kommen, aber dann ist man meist selbst schuld, doch die Zeiten, in denen man wie Heinrich Barth noch mit großen Karawanen die Sahara zu Fuß durchqueren mußte und mit den Naturgewalten im Nahkampf stand, sind im modernen Libyen längst vorbei. Damals gab es noch Gegenden, die unerforscht bleiben mußten, weil sie für Mensch und Tier den Tod bedeuteten, unpassierbar waren und man einer ständigen Lebensgefahr ausgesetzt war. Heute kann jeder, der auf der Brennsupp' daher geschwommen ist, durch die Sahara fahren. Man ist mit GPS und G-Modell (mit einem solchen Auto ist nichts unpassierbar, da fährt man doch von München zum Südpol, ohne auch nur eine Fähre buchen zu müssen) unterwegs und muß sich krampfhaft die Hindernisse zusammensuchen.

Trotz alledem glauben viele, daß es heute noch ein Abenteuer sei, die Sahara zu durchqueren. In Wirklichkeit ist es vermutlich weitaus gefährlicher und somit abenteuerlicher, den Urlaub in New York zu verbringen, denn dort liegt die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden um einiges höher. Verkehrte Welt...
Am späten Nachmittag kam noch ein Wassertransporter vorbei. Ich sah mir den alten Landcruiser einmal genauer an. Schlicht, aber verdammt stabil. Das war ein 78er Baujahr, natürlich ein Benziner und ich konnte ums Verrecken kein Ersatzrad finden. Die Reifen sahen auch nicht mehr ganz fit aus. Der Fahrer hatte anscheinend Ahnung von Reifen. Er fragte, ob ich einen Reifen mit Loch hätte. Natürlich hatte ich einen. Einen? Eigentlich waren es drei. Keiner davon war zu retten, außer der Hankook, der nur ein kleines Loch hatte. Dennoch zeigten sie uns, wie man einen Reifen von der Felge abmontiert. Nun liegt neben anderen auch ein Michelinreifen von Markus Besold in Bir Rimit.
Mohammed al-Rimit beim demontieren meines Michelin.

Die Toyotafahrer blieben auch über Nacht. Es wurde frisches Brot gebacken und zum ersten mal bekamen wir original Nomadenbrot, von Nomadenhand im Wüstensand gebacken. Kann ich nur empfehlen. Es gab Kamelfleisch, das allerdings so scharf war, daß man vom Geschmack nichts mehr spürte, und selbstverständlich Tee.
Wir waren noch keine 48 Stunden hier und auf der Piste genau 79 km weit gekommen und hatten 14 Autos gesehen, die auf ihr unterwegs waren. Gut - die Hälfte davon waren Touristen, aber wenn man bedenkt, daß Touristensaison eigentlich im Winter ist, dann ist das eine Menge Verkehr. Mehr als ich insgesamt auf allen meinen Fahrten auf der Asphaltstraße zwischen Darj und Schweyrif je sah.


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