Libyentour 1999
Montag, 23. August

Das Wecken übernahm der Rest der Besatzung, der es wohl drinnen auch nicht mehr ausgehalten hatte. Sie klopften ans Fenster bis ich erwachte. Der Diesel hatte normale Temperatur, die Tanknadel hatte sich kaum bewegt. Er lief ruhig vor sich hin, die Klima blies kalte Luft in den Innenraum. Als ich die Tür aufmachte, kam mir eine faulig-schwüle Wolke entgegen. "Ist ja widerlich, wie haltet Ihr es da draußen nur aus?" Wir packten zusammen, schauten uns die Jugendherberge an und mir fiel auf, daß auf vielen Bildern der Herbergsvater samt dem Landesvater abgebildet war. Ich bat Almut darum, ihn zu fragen, wie diese Bilder antstanden seien und er erklärte mir, daß er Ghadaffi persönlich kennen würde. Wenn ich wollte, dann würde er mir die geben. Klar wollte ich das. Es hat schließlich nicht jeder Ghadaffis Adresse in seinem Adressbuch.

Fit wie ein Turnschuh konnte ich mich wieder auf die Straßen begeben, mich freudig hineinstürzen in den libyschen Stadtverkehr. Zunächst fuhren wir ins Hotel Tibisti und frühstückten fürstlich für 30 Dinar. Danach fuhren wir raus aus Benghasi. Libyscher Großstadtverkehr ist was für Liebhaber. Eine Nummer chaotischer als Neapel. In Italien ist alles gut berechenbar, man weiß, ob einer jetzt in die Straße einfährt, oder ob er wartet, bis man vorbei ist. Hier ist das anders. Jeder fährt, wie er meint, der hintere passt schon auf, ab und zu ditscht man mal wo dagegen und weiter geht's. Hinzu kommt noch der Zustand der Autos, man weiß nie, wie gut die Bremsen vom Hintermann sind, ob sie überhaupt gehen und ob er auch mitbekommen hat, daß vor ihm einer ist, so daß man immer ein bißchen vorausschauen muß, was macht der?, manchmal anhaltend Hupen und vorbei und immer im Rückspiegel schauen, was sich hinter einem abspielt. Die Libyer machen das nicht und entsprechend sehen die Autos aus, je älter, desto mehr Beulen, aber wenn man ein bißchen schaut, dann kommt man auch heil durch.

Eigentlich wollten wir zur Unibibliothek, doch diese war für "Autos mit ausländischer Zulassung verboten". Wer weiß, ob das stimmt, oder ob der Portier nur keine Lust hatte, die Schranke hochzukurbeln. Als wir ihm erzählten, daß nicht das Auto, sondern die Insassen hinein wollten, erklärte er uns, sie würde bald schließen. Also ließen wir es bleiben und verschoben das auf Tripolis.

Wie in Narvik, so auch in Benghasi. Der Wegweiser mit Entfernungsangaben wenn auch nicht so ganz stilecht. Ich versuche (mit Hilfe der "Geo-Projects" zu übersetzen:

Qaminis 41 km
Ajdabiya 148 km
al-Kufra (?) 1024 km
Sebha 1136 km
Sirt 555 km
??? 799 km
??? 887 km
Tarabulus (Tripolis) 1005 km

Wir waren uns darin einig, daß wir so schnell wie möglich weg von dieser klebrigen Küste mußten. Also auf nach Kufra, um zu sehen, was dort geboten war. Die Route dorthin soll überwiegend gut asphaltiert von der Mittelmeerküste in die Tiefe der Sahara führen und dabei überwiegend durch ödes, absolut menschenleeres und lebensfeindliches Terrain gehen - so steht es im Göttler.

In Ajdabiya wurden noch Filme gekauft. Man sagte uns, in Kufra wäre es sehr heiß. Wir nahmen dies zur Kenntnis. Der Asphalt dieser wichtigsten Verbindungsstraße zum Sudan war sehr rauh und wies leichte Schäden auf, die vermutlich auf Sonneneinwirkung zurückzuführen sind.

Zwischen Awila und Jalu verabschiedete sich der 2. Reifen (km 5.585) mit donnerndem Getöse.

Nun ging's aber los mit der Reifenpolitik. Wir hatten keine 15"er mehr vorrätig. Der vordere rechte Reifen wurde abgenommen und nach hinten rechts verpflanzt und ein 14"er vom Dach genommen und vorne montiert. Jetzt mußten wir doch zu einem Reifenveterinär, von denen es in Libyen in jeder noch so kleinen Oase mindestens fünfhundert gibt. Der erste schickte uns zum zweiten. Der stellte fest, daß der Reifen nicht mehr zu retten war. Großartig! Zu dieser Erkenntnis waren meine Beifahrer und ich nach gemeinsamer Anstrengung fast von selbst gekommen, nachdem wir ausgiebig den einstigen Reifen betrachteten, von dem nur noch Fetzen übrig waren.

Also mußten wir zu einem 3. Reifenhändler, denn unserer hatte auch keinen Reifen in der passenden Größe vorrätig. Wir fuhren los und kauften für 40US$ und 20LD einen neuen Hankook. Er machte einen soliden Eindruck. Da aber der 3. Händler keine Reifen montieren konnte, fuhren wir zu Reifenmonteur Nr.2 zurück. Inzwischen war es schon dunkel geworden.

Vor der Werkstatt.

Der Chef war aus dem Tschad und will in die BRD. Er klagte über zuwenig Arbeit, dabei genügt ein einziger Blick auf die Straße nach Kufra, um zu der Überzeugung zu kommen, daß jeder, der hier einen Reifenhandel besitzt, mindestens Millionär sein muß. Verkehrte Welt... Andere, die in dieser BRD leben glauben, da draußen, da liegt das Glück.
Die Reifenmontage kostete 5 LD. Nach diesem Intermezzo ging es weiter in Richtung Kufra. Lange fuhren wir nicht mehr. In der Nähe der Ölcamps (es sah nicht so aus, als würden diese in der nächsten Zeit aufhören) verließen wir die Straße. Hier war es zwar nicht sehr idyllisch (man hörte die Straße, sah die Flammen und die Lichter der Bohrcamps), doch der Untergrund war schön eben und weich. Man mußte keine Steine wegräumen.

Mit unserer Hingabe an Thema Nummer 1 (Afrika) sorgten wir dafür, daß an einen ruhigen Schlaf nicht zu denken war. Ich sah mir die Nordafrikakarte immer und immer wieder an um eine Straße zu finden, auf der man möglichst nahe an den Äquator kommt. Almut sagte, sie würde gerne Mitfahren, wenn ich mich auf den Weg nach Südafrika machen sollte, nachdem sie mit ihrem Arabistikstudium endlich fertig ist. Klang gut. Zu gut. Das hatten schon viele gesagt. Wenn es danach ginge, hätte der Platz im Auto nicht ausgereicht, aber es ist einfach etwas ganz anderes, wenn das jemand sagt, mit dem man gerade mitten in der Sahara sitzt, der also zumindest ungefähr ahnt, was einen bei einer Afrikadurchquerung erwartet. Der weiß, das man nicht auf bestens asphaltierten Straßen ohne Kontrollen von Hotel zu Hotel fährt und, daß man länger unterwegs ist als ein durchschnittlicher Italienurlaub dauert.

Ein Auto, Beifahrer, eigentlich fehlt nur noch Geld. Also gut. Nun würde ich mich nach der Rückkehr doch nach einer Arbeit umsehen und mit dem Luderleben aufhören. Das hatte ich hier fest beschlossen "Du machst Dein Studium zu Ende und ich mach Geld und übernehme die Planung aber nicht die Garantie, daß es funktioniert". Eigentlich wollte ich noch einen Anlauf an der BOS probieren um doch noch zu meinem Abitur zu kommen. Aber nun, da der Plan, nach Südafrika zu fahren in greifbare Nähe gerückt war, interessierte mich das noch weit weniger als sonst. Was soll ich auch damit? Tibetanische Literatur in Bangldesch studieren um danach Luftschlösser in Rumänien zu bauen? Da gehe ich doch lieber nach Südafrika und mache eine Psychopathenzucht auf, dazu braucht man kein Abitur...


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