Libyentour 1998
Sonntag, 13. September

Ausschiffen um 1:30 Uhr. Dabei herrschte absolutes Chaos. Anscheinend gilt es als nobel, die Autos alle vorwärts hineinfahren zu lassen, damit die Leute dann bei Ankunft auch ja alle wenden, kurbeln, hupen, fluchen und manövrieren müssen. Mein Nebelhorn war wohl doch etwas Laut. Frei nach Goethe:
"Nur wenn der Frachtraum widerschallt,
fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt"

Schon nach den ersten erfolgreichen Versuchen, mir im Gewirr und im Gewoge Platz zu verschaffen, kam ein italienischer Wichtig angelaufen und schrie auf deutsch, ich solle das "Maul halten". Na gut, dann halt nicht, geht ja auch ohne Hupen und mir fiel ein, daß wir es ja gar nicht eilig hatten...

Im Frachtraum
"Wir fahren hin und her,
Wir fahren kreuz und quer..."

Wir nahmen einen tunesischen Dr.rer.pol. bis München mit, den wir auf der Fähre kennengelernt hatten und der aufgrund der Verspätung seinen Zug verpaßt hatte. Ein angenehmer Mensch. Er wollte in Deutschland Urlaub machen und einige Wochen bleiben. Da er kein Visum für die Schweiz hatte fuhren wir über Österreich. 8:47 Uhr italienisch-österreichische Grenze überschritten, um 11:15 Uhr die österreichisch-deutsche.
Bald merkten wir, daß wir definitiv wieder in der BRD waren, der Dilletantismus der Ordnungshüter ist unverkennbar. Eine Reise nach Libyen zu machen und nicht eine einzige Maschinenpistole zu sehen zu bekommen paßt nicht ins Klischee. Dagegen mußte der deutsche Zoll schleunigst etwas unternehmen. Wir waren noch keine 20 Minuten in dieser freiheitlichen Republik, da zogen sie uns an der Auffahrt zu A95 Richtung München schon heraus. Sie waren zu fünft. Einer hatte eine MP vor seinem Bierbauch, was eher erheiternd aussah als respekteinflößend, weil ein Blinder mit dem Stock spürte, daß dieser grenzwertige Typ bei Gebrauch der Waffe höchstens seine Kollegen, sich selbst oder Unbeteiligte treffen würde, nur nicht das, was er treffen will. Die nächste Witzfigur hatte ein rosarotes Jakett an und dazu eine gelbe Krawatte - richtig schick, das Püppchen. Bei schönem Wetter ist er wahrscheinlich im Minirock unterwegs. Bei strömendem Regen mußte ich den Kofferraum - zum ersten mal seit der Abfahrt in Augsburg - komplett ausladen, damit die Herren feststellen konnten, daß ich nichts interessantes dabei hatte. Als sie die ganz oben liegende Packung Zucker erblickten, glaubten sie wohl, einen großen Fang gemacht zu haben: "Aha. Gehen's mal a Stück zurück. Was ist denn das?" "Kokain, wahrscheinlich. So transportiert man das, wenn man nicht erwischt werden will." - wenn die immer nur von sich auf andere schließen und Kokainschmuggler auch für so blöd halten, wie sie es selbst sind, dann dürfen sie sich nicht wundern, warum sie die nicht erwischen. Unser tunesischer Gast wurde von ihnen einerseits nicht für voll genommen und andererseits wie ein Verbrecher behandelt (Wörtlich: "Sie kommen aus dem Süden und wir nehmen an, daß Sie Drogen dabei haben könnten. Geben Sie's lieber gleich zu, es ist besser für Sie."), bis sie in seinen Papieren den Dr.-Titel (er hatte 69 in Wien promoviert) und den in Österreich ausgestellten Führerschein sahen und feststellen mußten, daß er im Gegensatz zu ihnen die deutsche Grammatik beherrschte. Dann wurde der Ton etwas freundlicher: "Lassen's nur, ich trage ihnen den Koffer schon zurück" "Jaja... kann ich selber", war seine Antwort. Obwohl sie sich zu viert in mein Auto setzten (wir standen derweil im Regen, denn unterstellen durften wir uns nicht und wer nimmt schon auf einer Libyenreise einen Regenschirm mit?), mein Jakett zerrissen (aus Versehen) und die Briefe öffneten (mit Absicht), die mir die Mädels gaben, um sie von der BRD aus abzuschicken, fanden sie nach knappen 45 Minuten nur meinen abgelaufenen Personalausweis. Super! Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, der immerfort an schalem Zeuge klebt, mit gier'ger Hand nach Schätzen gräbt und froh ist, wenn er Regenwürmer findet..." Tolle Leistung. Ein Schlag, von dem sich die internationale Kriminalität wohl nur schwer erholen dürfte. In Libyen jagt die Polizei die paar Verbrecher, die frei herumlaufen und hier jagt sie kaputte Autolichter und Ähnliches, weil ihre Unfähigkeit die Beseitigung von echten Problemen kaum zuläßt. Die 40 Liter Diesel in den Kanistern, die zwei Stangen Cigaretten zuviel und die Reifen, die wirklich schon kriminell waren, weil stellenweise das Weiße schon zu sehen war, bemerkten sie natürlich nicht, sie sind ja blöd, also war die "Kontrolle" völlig sinnlos und wurde nur durchgeführt, damit es so aussieht, als würden sie für ihr Geld auch was tun. Ab und zu erwischen sie dann doch mal einen Blöden und das kommt gleich ins Lokalradio. Solche Nichtskönner würde ich nicht mal in meinem Garten das Laub zusammenrechen lassen.

''Freund und Helfer'' Freund und Helfer
So sieht also eine Polizeikontrolle in einem "Rechtsstaat" aus...
(Dieses Bild schoß ich vom Fahrersitz aus, während zwei Zollbeamte den Michl (1.v.l) und zwei meine Rückbank auseinandernahmen.)
...und so in einem "Unrechtsstaat".
(v.l.n.r.: Dienststellenchef, Besold, Michl, Almut und 2 Polizisten)

Sowas gehört doch angezündet und ich entschuldigte mich bei Dr. Litaiem, daß das hierzulande noch nicht geschehen wäre. Ich hatte schon wieder so eine Wut im Bauch auf und war noch keine Stunde wieder in diesem Dreckshaufen von einer Bananenrepublik zurück. Dieser uniformierte Müll kann einem wirklich den Tag versauen. Bullenschweine! Verrecken sollen sie alle. Langsam und unter unvorstellbaren qualen, wenn möglich.

Und ihre ganzen beschissenen Familien gleich mit, damit diese Pest ein für allemal verschwindet. Im KTB ist der letzte Eintrag zu dieser Fahrt zu lesen: "14:45 Uhr Ankunft in Augsburg".

Der Stellplatz
Nach der Heimkehr in der Hofeinfahrt.

Sämtliche Ausrüstungs- und Gepäcksgegenstände waren noch im Wagen bzw. auf dem Dachträger. Der Treibstoffvorrat war so berechnet, daß man ohne Versorgung eine Strecke von ca. 2000 km zurücklegen konnte. Es endete in einem gewissen Dilemma: Ohne die Kanister wären die Pisten vermutlich zu befahren gewesen, hätte man das aber getan, wäre ein gewisser Vorrat unabdingbar gewesen, der aber wiederum ein Befahren dieser Pisten nicht zuließ. Facit: Das Auto mußte höhergelegt werden.

Gesamtstrecke: 7.982 km
Kilometerstand bei Ankunft: 521.024 km

Empfehlenswertes zum Thema Libyen:
"Der Göttler" wird dieser für Libyen unerläßliche Führer gern genannt. Dieses Buch ist gerade für Autotouristen ein Muß. Es ist aus der Reihe "Reise-Know-How" - nichts für praxisferne Theoretiker. Göttler beschreibt hier unzählige Routen detailgenau, die er selbst gefahren ist. Das Buch ist gegliedert in "Reisevorbereitungen", "Praktische Tipps für Unterwegs", "Land und Leute", "Unterwegs in Libyen" und Routenbeschreibungen. Hinzu kommen noch Exkurse und Kartenmaterial. Ohne dieses Bucht wären wir auf unserer Tour aufgeschmissen gewesen und es gehört definitiv zu einer lückenlosen Sahara-Ausrüstung.
Der Lonely Planet Libya ist zweifellos für alle Individualreisenden ein sehr hilfreicher Reiseführer. Die Bücher sind auf Englisch verfasst und enthalten in knapper Form alles Wissenswerte auch über die kleinsten Käffer. 1998 hatten wir nur den Göttler dabei. Der Lonely Planet fand erst später Aufnahme in die Bordbibliothek. Aber er hat sich bewährt und war fortan immer mit dabei. Es empfiehlt sich - gerade wenn es auf den afrikanischen Kontinent geht - immer die neueste Ausgabe dabeizuhaben, da sich Dinge dort besonders schnell ändern.
Genau 60 Jahre bevor wir zum ersten Mal mit unserem Mercedes Libyen unter die Räder nehmen, fuhren die Teilnehmer der in diesem Buch behandelten Autoreise in einem Mercedes-Benz-Cabrio durch Italien bis hinuntrer nach Sizilien und Libyen. Nicht mit Grimaldi-Fähren, ohne Satelliten-Telephon und eine Klimaanlage hatten sie sicher auch nicht. Zu den Palmen Libyens - 10.000 Kilometer durch Italien und Afrika ist nicht nur wegen der wunderschönen und seltenen Farbaufnahmen sehr lesenswert, sondern vor allem, weil dieser Reisebericht aus einer Zeit stammt, in der es noch richtige Abenteuer gab...

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