Libyentour 1998
Donnerstag, 3. September

Um 8:45 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (in Tunesien geht die Uhr eine Stunde nach) legten wir im Hafen von Tunis an. Jetzt kam die gefürchtete tunesische Zollprozedur. Zu unserem Erstaunen war sie nach genau einer Stunde schon vorbei. Möchte nicht wissen, wie es hier in der Hauptsaison zugehen muß. Michl schien zu viel Geld mitgenommen zu haben, zumindest glaubte er das oder er war nicht dazu in der Lage, die Situation zu erfassen: Wir wußten vom Reiseführer, daß im Hafen von Tunis sogenannte "Porteurs" ihre zweifelhaften Dienste anboten. Sie springen um das Auto und erklären einem Sachen, die man ohnehin schon weiß. So auch bei uns. In ihren orangenen Overalls sprangen sie zu fünft um unser Auto und machten alle mit einem Scharnier versehenen Verschlüsse auf. Einer winkte einen Zöllner herüber, der aber an uns Touristen gar nicht interessiert war und mit einer Handbewegung zu verstehen gab, daß wir weiterfahren könnten. Alle Klappen wieder zu, nur der an der Fahrertür gab zu verstehen, daß er jetzt Geld haben wolle. Ich sagte zu meinem Beifahrer, den das alles nicht zu berühren schien, er soll das französische Kleingeld her tun. Als er aus seiner Lethargie erwacht war griff er mit einer für ihn typischen Trägheit in seine linke Hosentasche. Ich unterstrich noch einmal: "Kleingeld. Laß ja die großen Scheine stecken." Er sagt: "Ahhh... OooKeee..." und hält mir ein Konglomerat aus Scheinen, Münzen und Zetteln hin. Oh, Mann! Ich filterte die Münzen heraus und gab sie dem Porteur, der immer noch die Tür fest im Griff hatte. Er nahm sie dankend entgegen und zeigte auf die Scheine, die ich hinter der Armlehne zu verbergen versuchte. Klar wollte er mehr. Ich nahm den kleinsten schein, einen 50er und gab ihn ihm. Nun meldeten sich die anderen lautstark, daß sie zu fünft seien und es begann sofort die Diskussion. Ich hatte einerseits keinen Bock, ihnen den 200 Franc-Schein zu geben, andererseits hatte ich genausowenig Lust, Stundenlang zu diskutieren, nur weil einer nicht fähig ist, die Scheine stecken zu lassen und nur die Münzen hervorzuholen. Also gab ich ihm den 200er - mir gehört er ja nicht - und fuhr weg. "Wenn ich das nächste mal sage 'Kleingeld', dann meine ich Kleingeld, OK?" "Ahhh... OooKeee..."

Kurz vor zehn Uhr standen wir vor dem Hafentor aber für eine kleine Feier unserer Afrikataufe war keine Zeit. Wir mußten weiter. Das Ziel hieß ja schließlich Libyen und die Zeit war so verdammt knapp. Wir tankten in La Goulette und brachen gleich weiter nach Ras Ajdir. Von Tunis sahen wir nicht viel. Keiner von uns hält sich gerne in Städten auf. Auch ein Grund für unsere Fahrt in die Sahara. Wir wählten die zwar landschaftlich weniger reizvolle, aber doch kürzere Innlandsstrecke über Kairouan. Die Straßen sind gut ausgebaut und ordentlich beschildert, sowohl in arabischer als auch in lateinischer Schrift. Es wurde nur ein einziges mal angehalten, und zwar um Geld zu wechseln. Hinterher fehlte der Taschenrechner. Egal. Auch der gehörte nicht mir, sondern meiner Schwester. Aber bloß schnell raus aus Tunesien. Hier wollte es uns einfach nicht gefallen.
Um 18:41 Uhr (km 1.202) standen wir an der Grenzstation. Nun konnte das Ausreisetheater bzw. die Einreise nach Libyen beginnen. Auf tunesischer Seite gab es natürlich Komplikationen. Dafür ging es auf libyscher um so schneller und ordentlicher voran; wir waren etwa um 20:30 Uhr auf libyscher Seite, ich stieg mit den Pässen und den grünen Visumsformularen aus und setzte das dümmste Gesicht auf, das ich mitgenommen hatte. Ein libyscher Zöllner eilte herbei "Welcome, welcome", packte mich am Ärmel, nahm mir die Papiere aus der Hand, zog mich an der Schlange vor dem Schalter vorbei, brüllte etwas auf arabisch in das Schalterhäusle und innerhalb von einer Minute hatte ich die gestempelten Pässe wieder zurück. Dann zeigte er auf die große Halle und sagte "You wid car in hangar." Dort kam mir ein Offizier entgegen und es lief auf gleiche Weise weiter Versicherung zahlen, Kennzeichen abholen und festpappen, Fahrzeugdurchsuchung (= ein kurzer Blick in den Kofferraum), das war's "Now you can go. Welcome." Ich dachte erst, das dicke Ende kommt noch und sie wollen vielleicht für die Hilfe hinterher Geld haben. Aber nicht die Spur. Wir hatten Tunesien endgültig hinter uns. Ende der Abfertigung war um 21:00 Uhr. Endlich waren wir im Staat Gadaffis, der Großen Sozialistischen Libysch-Arabischen Volksdschamahiriya!

Es hatte immer noch 35°C und es war sehr schwül. Das war noch ein Grund mehr, sofort in die Wüste zu fahren. Die Klimaanlage, die ich mir von der garchinger Firma einbauen ließ zahlte sich spätestens jetzt schon aus. Nach einigen gestaffelten Kontrollen (bei denen man sinnvollerweise das Licht ausschalten muß, den Motor aber nicht) erreichten wir das kleine Städtchen Zouara. Dort Halt an der ersten Tankstelle an der Tank und zwei Kanister gefüllt wurden. Auch einen Wasserkanister füllten wir. Die Leute waren sehr freundlich, wir waren noch keine Stunde im Lande, da wurden wir schon beim ersten Halt zum Essen eingeladen. Jedes zweite Wort des Tankwarts war "welcome". An diesem Tag fuhren wir noch bis zu einem Kontrollposten 41 km südlich Zouara. Die Polizisten wollten uns nicht weiterfahren lassen "Jamel on road. Dänn aksident!". Er verdeutlichte das gesagte durch eine unmißverständliche Gestik, zum Beispiel durch starkes Vor- und Zurückwippen des Oberkörpers kombiniert mit einer schwerfälligen Gangart und einer deutlich horizontalen Hin- un Herbewegung des Unterkiefers. Aha! 'Tschamel' hieß also Kamel. Sie schlugen vor, wir sollten hier übernachten und unsere Fahrt erst am nächsten morgen fortzusetzen. Das taten wir. Wir wurden noch gefragt, wann wir geweckt zu werden wünschten. "Dreiviertel Sieben? Hmm... Quarter to seven. Hmm... Pass auf..." Ich malte die Uhrzeit in den Sand und das funktionierte. Ab und zu kam noch der eine oder andere vorbei und wollte wissen, wo wir her seien und was der Mercedes dort kostet, aber die Verständigung war nicht sehr einfach. Man spricht hier nur und ausschließlich Arabisch. Kein Englisch, kein Französisch, nicht einmal Italienisch.
Ich packte mein Feldbett aus, legte mich hin, alles war bestens. Wir stehen am Eingang der Sahara, lauter nette und freundliche Leute um einen herum, die Sterne prangen am Himmel und von der ferne erkling orientalische Musik, mir konnte es doch gar nicht besser gehen.


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold