19. Juni 1999
Von der ersten und hoffentlich letzten Panne

Benno BWL-Student
Besold Fahrer ohne Schein

Kilometerstand bei Ankunft: 598.312 km


Auch ein Daimler ist kaputtzukriegen - das hat mir diese Fahrt bewiesen. Erstrecht dann, wenn man es drauf ankommen läßt und alle Bedenken und Warnungen (des Autos) in den Wind schlägt und so lange nach den Grenzen der Belastbarkeit sucht, bis man sie überschreitet und es einfach nicht mehr geht. Diese Erfahrung mußte ich leider machen. Aus der Traum von der pannenfreien Million. Zwischen Bozen und dem Ritten an einer steilen Bergpassage krachte es höllisch und dann blieb der Schub weg. Aussteigen und mal nachsehen, was das Kardan alles in Mitleidenschaft gezogen hatte. Solche "Actions" kann man sich sparen, wenn man in der Lage ist, regelmäßig, zumindest aber rechtzeitig die Werkstatt zwecks Kundendienst aufzusuchen.

Die Geschichte unseres persönlichen "Schwarzen Samstags":
Es war zwei Wochen zuvor, bei der ersten Fahrt nach Bozen. Damals fiel mir - auch auf dem Weg zum Ritten - ein Schlagen auf, das ich weder identifizieren noch lokalisieren konnte. Es war nur beim Ausfahren des ersten und beim Einlegen des zweiten Gangs zu hören. Ich nahm es auch nicht besonders tragisch. Konnte ja nicht schlimm sein. Unvorstellbar. Hatte noch nie Probleme mit dem Auto, warum gerde jetzt?
Im Lauf der nächsten zwei Wochen war es bereits beim Schalten in den dritten Gang zu hören.
In der Woche drauf ging es wieder nach Bozen. Auf der Fahrt, bereits kurz nach Landsberg, sah ich zweimal im Rückspiegel Gummifetzen fliegen. Zweimal hielt ich an, zweimal legte ich mich unters Auto und suchte ewig, aber zweimal fand nichts. Nach dem Motto "Wenn ich nichts seh' ist auch nichts kaputt" wurde die Fahrt fortgesetzt. Bei der Auffahrt auf den Ritten nahm das Rattern an Lautstärke zu. Inzwischen war es in allen Gängen zu hören. Ich konnte es mir immer noch nicht erklären, ich beschloß, den Wagen bei der Rückkehr sofort in die Werkstatt zu bringen. Schon das ärgerte mich, weil ich bisher den Wagen immer dann in die Werkstatt brachte, wenn ich das wollte. Aber natürlich wollte ich mir von dem geheimnisvollen Rattern nichts vorschreiben lassen und so tat ich, als wäre nichts und setzte mein Abendprogramm fort. Auf dem Weg nach Aldein bemerkte ich bei einer erneuten "Inspektion", daß das halbe Kardanwellenlager fehlte. Auch eine der sechs Schrauben hatte sich schon verabschiedet. Mist. Naja. Wird schon halten. Ist ja schließlich ein Mercedes. Auf dem Rückweg von Aldein auf den Ritten war das Schlagen noch stärker geworden und an der Bergauffahrt war in allen Gängen nur noch das Schlagen zu hören. Das ganze Auto zitterte. Man konnte sich auch nicht mehr unterhalten.
Dann, wie schon beschrieben, der ohrenbetäubende Lärm, als die letzten Reste des Lagers sich endgültig verabschiedeten. Ich stempelte. Warnblinker an. Arbeitslampe angeschlossen unter das Auto gelegt, während mein Beifahrer damit beschäftigt war, das Warndreieck aufzustellen. Kardan hing weg. Schaltgestänge im Eimer. Keinen Antrieb. Kein Werkzeug (genützt hätte es ohnehin nichts).
Jetzt rächte es sich, daß ich zu faul war, das Auto einfach in die Werkstatt zu bringen und zu sagen: "Da ist ein komischer Krach. Machts was." Das hätte einen neues Lager plus Einbau gekostet. Nun muß zusätzlich das repariert werden, was von der abgerissenen Kardanwelle zerschlagen wurde. Selbstredend wird das nicht billiger, auch, wenn es in Südtirol repariert wird, wo die Arbeitszeit wesentlich billiger ist.
Glücklicherweise geschah das alles in Südtirol und nicht mitten im Nirgendwo, wo weit und breit nichts ist. Andererseits wäre ich nie auf die Idee gekommen, mit einem nicht ganz einsatzfähigen Auto eine größere Tour zu wagen.

Das also war meine erste Panne. Alles genau dokumentiert, hier nochmals in Originalffassung aus dem Fahrtenbuch:

Schäden Datum / Uhrzeit Standort km-Stand
Kardanwellenlager, Schaltgestänge, Unterboden Samstag, 19. Juni 1999
23:27 Uhr MEZ
Serpentinenstrecke Bozen Richtung Ritten, etwa 3 km nach Kreuzung 598.739 km

Wir brachten das Auto mittels Abschleppwagen in eine Werkstatt und der Italiener meinte, man solle die Karre verschrotten. Halten Sie das Maul. Reden Sie erst bis ich sie etwas gefragt haben werde...
Erstmal an den ADAC wenden. Der sorgte für einen Corsa als Leihwagen, den wir uns am Motag abholen könnten. War zwar kein Auto, aber besser als zu Fuß ist das schon.
Abends gingen wir noch in Oberinn und nahmen am Feuerwehrfest teil - kein Schaden ohne Nutzen.
Am Montag fuhren wir zu Mercedes, legten den Sachverhalt dar und baten darum, das Auto zu reparieren, ich würde es nächste Woche wieder abholen. Der Typ rief bei diesem Abschleppheini an und fragte, wo denn das deutsche Auto bliebe, es sollte schon längst da sein. Der Badschacke am anderen Ende wollte ihm gerade die Geschichte vom "blauen Lappen" erzählen, woraufhin der Mercedes-Mensch nur ins Telephon brüllte "La carrozza tedesca aqui" oder sowas und den Hörer auflegte. "Machen Sie sich keine Sorgen. Nächste Woche ist ihr Auto fertig, dann können Sie es abholen." Mehrwertsteuer ist hier zwar höher als in Deutschland, die Arbeitszeit dafür billiger, es sind schließlich genug Italiener da. Gut, alles bestens.

Am Montag fuhren wir dann wieder in Richtung Heimat - mit dem Corsa und italienischem Kennzeichen. Das war wirklich sehr praktisch, denn ich hatte keinen Führerschein mehr und mit dem italienischen Auto ist das alles einfacher, denn das können die Bullen schon mal nicht beschlagnahmen. Eine Woche wieder fahren können und nicht dabei erwischt werden. Und das, ohne erst lange darauf warten zu müssen, bis die Eltern wegschauen oder schlafen, um sich eines ihrer Autos zu krallen. Das ist Balsam, man fühlt sich wie neu.
Eines Tages wollte ich gerade mit dem Auto meines alten Herrn irgendwo hinfahren - eigentlich dumm, der Corsa war ja da, aber der hatte keine Klima... Ich stand also mit laufendem Motor in unserer Einfahrt und war gerade damit beschäftigt, das Radio so einzustellen, daß man Bayern I hören konnte, da hörte ich es an der Scheibe klopfen. Polizeischwachmat Bernscheid, ein ganz verachtenswerter Typ, der ständig von seiner viel zu häßlich geratenen Ehefrau geschlagen wird, stand vor der Autotür. Meine Mutter übernahm das Steuer und ich stieg mit pochenden Schläfen aus:
"Was wollt ihr denn schon wieder auf meinem Grundstück. Da draußen in die Seuchrill' (schwäbisch für "Pissrinne"), da könnts ihr Euch neistell'n, da is öffentlich. Hier is privat." Nützt natürlich nichts, weil dieser Müll nur eine 9 mm versteht und dann auch nur, wenn man sie auf ihn abfeuert, dann tut er genau das, was man will, nämlich sterben.
"Herr Besold, sie haben mal einen Mängelbescheid bekommen, weil ihre Scheibe am Auto einen Sprung hatte und Sie haben sie nicht vorgezeigt. Wir prüfen das jetzt und wenn die Scheibe nicht ersetzt wurde, dann wird ihr Auto zwangsstillgelegt."
"Oh. Angschd, Gäfahr..."
"Wo ist ihr Auto?"
"Jo, mei, wo werd's scho sei? In Idaalien, halt."
"Was macht ihr Auto in Italien?"
"Ja, Urlaub, was macht man denn sonst in Italien?"
"Bei wem ist das Auto in Italien?"
"Bei Mercedes-Benz in guten Händen."
"Und wo genau?"
"Mensch... blöd... jetzt hab ich's vergessen... Moment, ich ruf die Auskunft an." Irgendwas ins Telephon eingetippt. "Tut mir leid, do is b'setzt. Aber ich kann ihnen vielleicht aus der Verlegenheit helfen:" Ich deute auf eine w123-Frontscheibe, was etwa drei Schritt von uns entfernt stand und die einen Sprung hatte. "Sehen Sie? Das ist die Scheibe mit dem Sprung, die neue ist am Auto, die original Mercedes-Benz-Rechnung hab ich auch."
"Ich will das Auto seh'n"
"Gut, dann fahren sie halt nach Italien und fragen, wo das Auto ist und sehen Sie sich's halt an. Am besten bleiben'S gleich dort. Und jetzt wäre es mir ganz recht, wenn Sie sich von meinem Grundstück wegmachen, denn ich hab das nicht gern und eingeladen hat Sie auch keiner."
"Gut, dann wird das Auto eben stillgelegt."
"Ja, tun Sie das, dann brauch ich mich nicht bemühen, Wiedersehn - äh, nein, lieber nicht!"
"Und einen Führerschein haben Sie auch nicht mehr, hab ich gehört, also lassen Sie sich nicht erwischen."
"Keine Angst, ihr erwischt mich schon nicht." Wenn die einen Funken Verstand hätten, dann hätten sie gewartet, bis ich aus der Einfahrt gefahren wäre und mich dann erwischt. Andererseits wären sie nicht bei der Polizei, wenn sie einen Funken Verstand hätten, sondern hätten sich einen richtigen Beruf ausgesucht... oder gar keinen, ist immer noch besser.
Was kam bei der Geschichte raus? Bloß, daß eine riesenhafte Papiermaschinerie in Gang gesetzt wurde, ansonsten rein gar nichts. Natürlich ist alles nur heiße Luft, wenn Mängelbescheide Geld wer wären, dann wäre ich mittlerweile Milliardär.
Aber das hat mich überzeugt, daß es doch besser ist, den Corsa zu nehmen, anstatt den Galaxy. So fuhr ich munter eine Woche mit dem nicht beschlagnahmbaren Corsa hin und her und wieder eine Woche drauf nach Bozen, um den Benz abzuholen. Was für eine Freude, sich wieder in ein Auto setzen zu können... Obwohl der Corsa auf den Paßserpentinen schon was hatte.
Wir kehrten erst mal wieder bei Resi ein. Mußte sein.
Tags darauf ging es leider wieder zurück nach Hause, doch ich genoß ich die Freude am Fahren, wie in alten Zeiten, sogut ich konnte. Die hielt nur bis zur innerdeutschen Kasperlgrenze an. Fahrerwechsel. Als wir in Garmisch im zähfließenden Verkehr an Bullen vorbeikamen, sagte ich zum Benno: "Die Schwuchtel ziehen uns raus." Die Antwort: "Ach, quatsch, Du hast einen Verfolgungswahn!" Zehn Minuten später, als wir von der Hauptstraße in Richtung Ettal abbogen waren sie heran und ich sagte noch triumphierend: "Ich hob's jo glei g'sogt!" Es kam, wie es kommen mußte. Es ist doch unerträglich, dieses räudige, unausstehliche Drecksgeschmeiß ist einfach nur widerwärtig, verabscheuungswürdig, abscheulich, ekelerregend, schmierig, unsympathisch, widerlich...
... aber das ist eine andere Geschichte und wenn ich damit anfange, dann fallen mir noch hunderte ähnlicher Geschichten ein.
Jedenfalls war der Daimler wieder wie neu und bereit zum Einsatz. Italien war als nächstes an der Reihe und anschließend Libyen, ich konnt's kaum erwartern, die grenze wieder in umgekehrte Richtung zu passieren.

Kilometerstand bei Ankunft: 599.091 km
Gesamtstrecke: 779 km

 


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