4. bis 10. August 2003

Die Arbeit auf der Baustelle war für uns Handwerker Anfang der Woche beendet, zurück blieben nur die Künstler, um im Lokal die Feinheiten der Dekoration zu regeln. Bezahlt wurde allerdings nicht wie abgemacht. Ich kam ein paar Tage später, um meine Bezahlung abzuholen. "Man reicht den Umschlag in den Wagen, die Herzen schlagen, der Handel ist perfekt..." Irgendwann, als ich Zeit hatte, machte ich ihn auf und stellte fest, daß sich ein sattes Viertel zuviel darin befand. Entweder man war mit meiner arbeit sehr zufrieden oder man hatte zuviel Geld. Es gibt einfach nichts, worüber man sich hier beschweren könnte. Aber, wenn man sich bemüht, dann findet man auch hier einiges zu beanstanden. Das Linksabbiegen ist zum Beispiel eine harte Aufgabe. Es gibt in Los Angeles kaum Linksabbiegerampeln und es kommen immer nur zwei Autos pro Schaltung über eine Kreuzung. Dafür ist das Rechtsabbiegen fast nirgends ein Problem, denn man darf grundsätzlich bei Rot über die Ampel fahren, vorausgesetzt, man biegt rechts ab und hält vorher an, wie bei einem Stopschild. Am Besten ist es, wenn man nur rechts abbiegt, für eine Linksabbiegung also über die Kreuzung fahren, rechts, rechts, wieder rechts und dann geradeaus.
Das Stopschild ist übrigens das einzig bekannte Verkehrszeichen, das man hier findet. Alles andere ist anders als auf dem Rest der Welt. Meist ist es angeschrieben, wie man sich zu verhalten hat, was bei der Analphabetenrate hier allerdings nicht ganz zweckmäßig scheint. Auch sonst muß man sich umgewöhnen. Inches statt Zentimeter, Achtel, Sechzehntel und Zweiunddreißigstel statt Millimeter, Feet statt Meter, Meilen statt Kilometer, Unzen und Galonen statt Liter, Pound statt Kilogramm, Fahrenheit statt Celsius, PSI statt Bar und ich hab bestimmt noch einen Schwung vergessen. "Still using the trash, the British left behind..." Ein abgewrackter Mist! Am meisten regt man sich über die sogenannten Maße auf. Eine Zeitverschwendung sondergleichen und eine Fehlerquelle, weil man immer rechnen muß, auch wenn man es nicht anders kennt. Zum Glück fahren sie nicht auch noch auf der falschen Seite. Es ist einfacher, die Dinge aufzuzählen, die dem Gewohnten entsprechen: Sie messen Zeit immerhin in Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, usw., Alkoholgehalt wird in Prozent angegeben, und... das war's dann wohl auch schon wieder. Aber das sind Feinheiten, an die man sich wohl oder übel gewöhnen muß, denn Uncle Sam hat es nicht nötig, sich dem Rest der Welt anzupassen, sondern umgekehrt. Besonders witzig ist das dann, wenn sie mit den Europäern zusammen an einer Marssonde basteln, die beinahe flöten geht, weil die einen das metrische System, die anderen ihr Unsystem benutzen.
Nach dem Job im Restaurant stand schon wieder der nächste an. Bei einem ausgewanderten Deutschen Einbauschränke fertigen. Ich kam an und stellte fest, daß ich nicht der einzige war, der hier mit einem deutschen Kennzeichen am Benz durch die Gegend eiert.

Starrnberg am See. Man ist nicht weit voneinander her.

Seine Ansichten über Amerika waren schon wieder ganz anders. Eher negativ. Noch vor einigen Monaten hätte ich ihm bis ins kleinste Detail zugestimmt, bzw. es als Bestätigung meiner Ansicht gesehen. Ihm wurde vor einigen Tagen beinahe sein G-Modell beschlagnahmt und zwar wegen der Kennzeichen. Mittlerweile hatte er amerikanische Kennzeichen. Das stimmte mich etwas bedenklich, zumal ich schon einmal mit einem Polizisten vom Los Angeles Police Department (LAPD) eine Diskussion hatte. Aber glauben konnte ich das nicht, immerhin nimmt man hier ja an, wieder in der Zivilisation zu sein, in der man eine gewisse Ordnung einfach voraussetzt. Immerhin steht auf der Dollarnote "Novus ordo saeclorum".
Sein Haus steht so, daß man direkt in den Hof der Universal-Studios hineinsehen kann. Dort wurde der Film "Waterworld" gedreht. Da steht eine riesige Leinwand, die auch noch windschief ist vor einem kleinen künstlichen Teich, den man vollaufen läßt, um die Aufnahmen zu machen. Da meint man immer, das wird auf dem Meer aufgenommen, dann sieht man das und ich muß sagen, daß es besser ist, wenn man nicht weiß, wie Filme gemacht werden, denn dieses Wissen raubt einem den ganzen Zauber.
Die Schränke wurden langsam, die Hauptschwierigkeit bestand darin, daß die Maschinen, die mir hier zur Verfügung standen, absolut gar nichts mit dem zu tun hatten, was man in einer deutschen Schreinerei vorfindet. Ich verbrachte mehr Zeit damit, fehlende Anschläge für Kreissägen zu bauen und der "Tischkreissäge" den fehlenden Tisch zu basteln, als mit der eigentlichen Arbeit.
Gegen Ende der Woche legte ich mir ein sogenanntes Endstellengerät für das drahtlose Wählnetz zu. Auf Neudeutsch heißt das Handy, klingt englisch, aber hier weiß keiner mit dem Wort was anzufangen. Es heißt nun mal einfach Cellphone, also Zellentelephon. Das braucht man einfach, denn an Arbeit mangelt es hier nicht und wenn man nicht erreichbar ist, dann geht einem das eine oder andere durch die Lappen. Insofern handelt es sich hierbei um eine Investition. Ich ging zu The Grove, suchte mir einen Stand aus. Meine Wahl fiel auf T-Mobile. Eigentlich ist mir alles, was mit Telekom zu tun hat suspekt und allgemein völlig unseriös. Die hübsche Verkäuferin sprach mich an, ob sie mir helfen könnte. "Oh, yes, Madam, ich suche ein Telephon zum telephonieren. Und es muß SMSen nach Europa schicken können." Sie legt mir die schönsten Tarife vor, aber da gab es ein Problem. Ich brauchte mindestens einen amerikanischen Führerschein. "Ich bin Tourist, hab kein Papier, außer dem von der Immigration..." Dann könne ich auch keinen Vertrag abschließen. "Das hier ist doch Amerika, right? Hier ist der Kunde König, stimmt's?" "Ja", sagt sie. "Gut. I am the paying customer", das hatte ich von Frank gelernt und gleich wörtlich übernommen, "Du bist die Verkäuferin und mußt alles unternehmen, um an mich als zahlenden Kunden das Produkt Deiner Firma zu verkaufen, richtig?" "Ja", sagt sie wieder, "aber das geht nicht, wenn Sie keine Papiere haben." "Wie bekomme ich die Papiere am einfachsten?" "Heiraten, so machen das fast alle." "Gut, Du bist eine gute Verkäuferin. Und eine gute Verkäuferin muß auch mal einen Kunden heiraten, um ihm einen Vertrag anzudrehen. Wie sieht es denn aus? Ist ja wohl wirklich nicht zuviel verlangt." "Tja, würde ich liebend gerne tun, aber leider kommen Sie zu spät, denn ich bin bereits verheiratet." OK. Das ging also daneben. "Gut, wenn das nicht geht, dann brauche ich eine andere Lösung." Sie schnappte sich das Telephon und telephonierte etwa eine halbe Stunde durch die Gegend. Dann kam sie, bat vielmals um Entschuldigung, weil es so lange gedauert hat und sagte, daß es doch noch eine Möglichkeit gäbe: Ich müßte 600 US$ Kaution hinterlegen, die mir nach einem Jahr wieder ausgezahlt würden. Ich überlegte hin und her. Das Geld hatte ich übrig, aber irgendwie konnte ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Zu lange in Lateinamerika gewesen. Wenn die einem überhaupt das Geld zurückgeben, dann erst nach einer schier endlosen Rennerei und zum Schluß, bei der Ausreise, steht man da mit einem wertlosen Bündel Landeswährung in der Hand und schaut recht blöd. Das wäre hier nicht schlimm, denn die Landeswährung hier ist die einzige Währung, die wirklich zählt und zwar Weltweit, aber weiß ich, was in einem Jahr ist? Es blieb nur eines dieser Prepaid-Cellphones. Aber ich wollte sicherstellen, daß ich damit nach Europa SMSen konnte. Wieder war sie für eine halbe Stunde am Telephon. Die Prepaid-Tarife hinken denen in Europa um Jahre hinterher und hier zahlt man für Air-Time, das heißt, es ist egal, ob man anruft, oder angerufen wird, man zahlt immer. Und ich stellte fest, daß ich exakt dieses Handy in Deutschland vor ein paar Monaten für 25 Euro verkauft hatte. Das kostete mich jetzt genau 75 US$.

Einkaufsstraße am Farmers Market im Abendsonnenschein.

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© by Markus Besold