Panamericana-Tour 2002
Sonntag, 15. September

Wir standen gemütlich gegen Neun auf und machten uns fertig. Kaum war das Auto nicht mehr da, schon merkte man, daß es fehlt. Nun mussten wir alles selbst tragen und alles war wir dabeihatten musste am Mann sein. Ähnlich wie damals in Abidjan. Nur war damals in Abidjan irgendwie doch alles anders, nämlich Unbeschwerter und unbeschwerlicher…
Duschen, die letzte Wäsche waschen, dann ging es zum Frühstück. Wir aßen noch einmal zusammen mit Yoyo. Nach dem Frühstück brachen wir auf, denn wir mußten noch Geld wechseln. Ich verabschiedete mich von Yoyo, bedankte mich für die Hilfe und wir wünschten uns gegenseitig viel Glück.

Am frühen Nachmittag ging unser Flugzeug. Um 14:15 Uhr, um genau zu sein. Um unnötigen Streß zu vermeiden, der im Normalfall nicht entsteht, wenn man zum Flughafen geht, etwa eine Stunde vor Abflug dort ist und immer noch dicke Zeit hat. Aber das ist eben nur im Normalfall. Da ich aber keine Lust hatte, mich bis dahin beschallen zu lassen, gingen wir schon zwei Stunden und zehn Minuten früher los. Somit hatten wir die einmalige Gelegenheit, uns den Flughafen von Cartagena umso genauer zu betrachten. Als Kind fand ich Flughäfen sehr Spannend. Mein Vater nahm mich oft am Wochenende nach Viracopos. Dort konnte ich dann auf diesem Turm stehen und von dort die Flugzeuge beobachten und sehr viel von diesem Kerosinduft einatmen. Fand ich immer sehr schön. Damals wollte ich Pilot werden. Aber leider hat es nur zum Autofahrer gelangt, und das nicht mal offiziell, denn meinen Führerschein hatten sie mir nach sechs Jahren auch wieder weggenommen – oder es zumindest versucht. Es gelang ihnen nicht, da bei den Bullen in Deutschland ein mehrstelliger IQ nicht erlaubt zu sein scheint. Daher bedeutet auch das Sprichwort „dümmer als die Polizei erlaubt“, daß die entsprechende Person exorbitant dumm sein muß.
Besonders spannend war der Flughafen  von Cartaghena nun nicht wirklich. Wir passierten die Gepäckkontrolle, checkten ein. Danach konnten wir dann wenigstens zum Glück eine Stunde im Café herumsitzen und die Zeit totschlagen. Ich schrieb ein paar Postkarten und las ein Buch.

Im Café am Flughafen von Cartagena.

Mich verwunderte es nicht weiter, daß es plötzlich hieß, daß das Flugzeug, welches um 14:15 Uhr von hier losfliegen sollte, nun erst um 15:00 Uhr überhaupt erst in Panama-City losfliegt. Wir durften noch länger warten. Auch recht.
Als wir dann zum Boarding gingen, um 15:30 Uhr, wurden wir nocheinmal durchsucht. Der Typ zog meinen Schlüsselbund aus der Tasche, an dem das Schweizer Taschenmesser hing, das mir Nora mit auf die Reise gegeben hatte. „Das dürfen Sie nicht ins Flugzeug mitnehmen“, sagte er. Daran konnte ich natürlich nicht denken. Er wollte es schon vom Schlüsselbund abmachen, aber ich riß ihn ihm aus der Hand. „Nichts gibt’s. Das Teil kommt mit.“, sagte ich, sichtlich genervt. Ich wußte nur nicht wie. „Reicht es, wenn ich die Klinge abnehme?“, fragte ich. Natürlich nicht. Mit dem Dosenöffner kann man ja immer noch den Piloten abmurksen und das Flugzeug gegen einen Baum fliegen, woraufhin Kolumbien sofort einen Krieg mit den USA startet. Nein, nein, das wollten wir nicht. Auf den guten Rat von Gabi, keinen Aufstand zu machen, hörte ich nicht. Ich ging wieder aus der Halle und suchte irgendwo einen Verantwortlichen, also einen, der eine Uniform anhatte, auf der Copa geschrieben stand. Ich fand eine Frau, pöbelte diese schon aus 15m Entfernung an, ließ mich aus über die Art und Weise, wie man bei „Ihrer MickyMaus-Airline“ mit zahlenden Kunden umgeht. Sie bat mich in ihr Büro. Ich legte ihr das Messer hin und sagte: „Dieses Teil will ich in Panama wieder entgegennehmen, wie Sie das machen ist mir vollkommen egal. Was es kostet, ist mir auch vollkommen egal. Machen Sie es einfach. Geben sie es dem Piloten, schmieren Sie einen Steward, lassen Sie sich was einfallen.“ Sie nahm das Messer tat es ein eine weiße Tüte, die locker drei Wäscheladungen fassen könnte. Band einen Aufkleber drumherum, gab mir davon einen Abschnitt und sagte, ich solle es bei meiner Ankunft in Panama am Schalter verlangen.

Ich glaubte zwar, daß sie es einfach in den Müll werfen würde und stellte mich darauf ein, am Flughafen in Panama die Bude auseinanderzunehmen. Dort konnten sie mich dann auch gern rauswerfen. Hier wäre es ungünstig. Ich ging also zurück zu der Kontrolle, wurde kein zweites Mal durchsucht, weil ich den Typen, der eigentlich gar nichts dafür konnte, schon aus der Entfernung saublöd anpöbelte. Das ärgerte mich dann noch mehr, denn das zeigte mir, daß ich einfach mit dem Messer in der Tasche durchgehen hätte können. Aber nun konnte ich nur hoffen, daß sie mir den Gepäckabschnitt nicht nur gegeben hatte, damit ich mich beruhigte.

Bloß wegen diesen Drecks-Amis. Sollen sich nicht überall einmischen, dann bleiben auch ihre Hochhäuser stehen und sie brauchen nicht flennen. Was hab denn ich damit zu schaffen?

 


Es ging zu Fuß über das Flugfeld zur Maschine. Sah aus wie eine alte 737, aber mit Zivilflugzeugen beschäftigte ich mich zuletzt 1986, daher mag ich mit meiner Vermutung sauber danebenliegen.

Um 16:15 Uhr ging es los. Da hatte sich der ganze Trubel in Cartagena doch gelohnt. Immerhin flogen wir zum halben Preis. Mit dem Schiff hinüberzufahren wäre natürlich noch viel besser gewesen, aber das sollte zumindest diesmal wohl nicht sein. Der Flug ging zunächst nach Barranquilla, wo ich Tage zuvor vergeblich versucht hatte, einen Platz auf einem Bananendampfer zu bekommen. Wir blieben in der Maschine, weitere Leute stiegen zu, dann wurde aufgetankt und um 18:00 Uhr rollte die Maschine wieder auf das Rollfeld. Es war mittlerweile dunkel geworden.

Die Uhren wurden eine Stunde zurückgestellt. Nach anderthalb Stunden Flug kamen wir um 18:30 Uhr in Panama-City an. Ich zog sofort los, um entweder mein Taschenmesser wiederzubeanspruchen, oder irgendjemandem in die Fresse zu schlagen, vorzugsweise dem ersten, der mir blödkommt. Dazu hatte ich allerdings keine Gelegenheit, denn kaum war ich zur Gepäckausgabe geirrt, kam mir schon eine hübsche junge Frau in der Copa-Uniform entgegen mit einer scheinbar leeren weißen Plastiktüte, und fragte mich, ob ich Markus Besold sei. Ich ergriff die Tüte, das Taschenmesser hing einige Sekunden später wieder am Schlüsselbund. Soviel zu Gabis Meldung vor einigen Stunden, die da lautete: „Aufstand machen bringt nichts. Dann bleibst halt da. So einfach ist das.“ Je einfacher ein Verstand strukturiert ist, desto einfacher stellt sich die Welt ihm dar.

Es ist ja allgemein so, daß der Mensch dazu tendiert, die Umgebung, in der er aufwächst, die Art und Weise, wie er erzogen wird, als für den Rest der Welt verbindlich anzusehen. Kann man ihm auch nicht verübeln. Doch kommt er aus dieser Umgebung heraus, stellt er fest, daß sich die Leute seltsam benehmen, und die meisten Menschen justieren dann ihr Weltbild, damit es eben wieder paßt, und sei es einfach nur aus der wiederum recht einfachen Erkenntnis, daß es einfacher ist, sich selbst an die anderen, als die anderen an sich anzupassen. Die wollen nämlich meistens nicht. Verständlich. Man stelle sich vor, ein Baraber kommt nach Deutschland und möchte gerne bis Mitternacht seinen Bazar veranstalten, wobei aber die Eingeborenen lieber schlafen möchten, denn schließlich ist es Zeit dazu. Nicht die anderen benehmen sich also komisch, sondern man selbst, da man sich ja nicht in seiner natürlichen Umgebung befindet, sondern in der der anderen, wie in solchen Fällen. Aber gab ich es lang schon auf, auch nur einfach Zusammenhänge verständlich machen zu wollen. Wenn Vorgänge, die sich direkt vor den Augen abspielen, den Weg zum Hirn nicht finden, dann hilft auch alles Reden nichts.

Wir hatten soweit alles. Nun mußten wir nur irgendwie nach Colón kommen. Vom Flughafen mußten wir zum Bus-Terminal. Da blieb nur das Taxi. Die waren hier recht billig. Ich kam mir ein wenig ungeschützt vor. Mir fehlte einfach das Auto. Als Flugtourist ist man einem jedem Gauner ausgesetzt, man ist auf andere angewiesen, um vorwärts zu kommen, und gerät so leicht in unangenehme Situationen. Ich fragte mach dem Preis zum Bus-Terminal. Er nannte ihn mir und ich versuchte zu handeln. Er ging ein wenig runter, ich gab mich damit zufrieden. Dann tat ich unser Gepäck in den geräumigen Kofferraum des 126ers und stieg vorne ein. Klima, alles da. Wir fuhren los. Der Taxler war schon in Ordnung. Ich ließ ihn ein wenig über Panama erzählen. Er fragte, wo wir herseien, und wo wir gerade herkamen. "Kolumbien? Sehr gefährlich..."

W126er-Taxi am PTY
Standesgemäß ins Zentrum von Colón.

Etwa eine dreiviertel Stunde später waren wir am Bus-Terminal angekommen. Das sah ziemlich modern aus. Busse fuhren viele und sie fuhren sehr häufig. Es brauchte dennoch nicht lange, bis ich herausgefunden hatte, welcher Bus nach Colón ging. Ich kaufte zwei Tickets und wir gingen hinaus auf den Busanlegeplatz. Der Bus stand schon da. Ich legte das Gepäck ab und ging in den Bus hinein, um einen guten Platz zu ergattern. Dann fiel mir ein, daß ich gerade im Begriff war, Blödsinn zu machen. Da kann ja jetzt jeder Depp mit unserem Gepäck abhauen. Ich ging wieder hinaus, stellte mich neben das Gepäck und steckte mir eine Cigarrette an. Dabei stellte ich mich etwas ungeschickt an, denn der Gepäckneger fuhr mich an: "No me trasteas, cabrón?" Ich war erst etwas verwirrt, daß er es gemerkt hat, aber was solls. "Geh zu, mach kein Theater. Ich trau nicht mal meiner Mutter, die ich schon seit 28 Jahren kenn. Warum soll ich Dir trauen? Ich kenn Dich doch nicht..."

"Schau ich aus, wie ein Dieb?", tat er beleidigt. "Nein, aber ein Dieb kann aussehen wie Du. Außerdem wollte ich eh vor der Fahrt noch eine rauchen. Wenn Du eh nicht mit dem Gepäck abhauen willst, dann braucht Dich das ja nicht zu stören", sagte ich und beendete das Gespräch. Mehr als sein Verhalten wunderte mich das Wort "trastear". Das kannte ich nicht und ich vermutete, daß da das englische Wort "Trust" drinstecken könnte. Der Kanal war ja nicht weit, auch im Straßenbild merkte man den amerikanischen Einfluß. Der würde von nun an vermutlich immer zunehmen. Als die Türen des Gepäckabteils geschlossen wurden, ging ich mit den letzten an Bord. Es war 19 Uhr, als wir losfuhren. Wir hatten unsere Plätze ziemlich weit hinten. Sehr angenehm. Am liebsten sitze ich in der letzten Reihe. Ich mag es nicht, wenn ich jemanden, den ich nicht kenne im Rücken habe. Wenn ich selbst am Steuer sitze macht es mir allerdings nicht viel aus.

In Colón kamen wir etwa eine Stunde später an. Das dortige Bus-Terminal sah nicht mehr so gepflegt aus wie das in Panama-City. Aber alles was wir nun brauchten war ein Taxi, das uns zu einem Hotel brachte. Gabi hatte ein Hotel aus dem Lonely Planet herausgesucht. Das Auto fehlte einfach...

Aussicht vom Hotelzimmer
Aussicht aus dem Hotelzimmer.

Und wieder beschlich mich dieses Gefühl total verloren zu sein. Das Gefühl, das sich immer einstellt, wenn das Auto nicht da ist. Was tue ich nur in diesem Teil der Welt? Was, wenn sich hier wieder so ein Debakel entwickelt wie im Hafen von Santos? Ich mochte gar nicht daran denken.


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© by Markus Besold