Panamericana-Tour 2002
Sonntag, 18. August

Es geht weiter. Die Straßen waren eigentlich nicht schlecht, allerdings wurden sie zunehmend schlechter, je mehr wir uns Quito näherten. Es wurde auch kalt und neblig. Seitdem mir der Baum auf den Kofferraum gekracht war, war die Spur hinten verstellt und die Reifen liefen sich an der Innenseite ab. Ich wollte daher die Reifen auf der Felge umdrehen, damit sich die Seiten abwechselten. Das gibt dem Reifen ein paar tausend Kilometer mehr an Lebensdauer. "Augen offenhalten, falls jemand einen Reifentandler sieht, ganz laut schreien!", erging der Befehl an die Besatzung.

Beim Reifenummontieren.

Es war wieder eine jener interessanten Überlandfahren. In jedem Kaff gab es etwas zu sehen. Wir stellten bald fest, daß die Leute hier auf die Weise nie zu Geld kommen konnte. Wir durchfuhren Duzende von Käffern. Auffallend war eben, daß in jedem Kaff an der Durchfahrtsstraße Verkaufsstände aufgestellt waren. Nur verkauften die immer nur das gleich wie der Nachbar. In einem Kaff gab es also nur Kokostnüsse an jedem der hundert Stände, im nächsten gab es verschiedene Säfte, wobei jeder das selbe Angebot hatte. Besonders ekelhaft war der Rosensaft. Schmeckte wie Parfüm, nur ohne Alkohol. Beinahe hätte ich meinen gesamten Mageninhalt über die Bude verteilt. Laß fahren, dahin, laß fahren...

Im nächsten Kaff verkauften sie Gebäck - wieder jeder das selbe. Dann Eintopf, dann Cola, dann HotDogs. Aber daß man mal in einem Kaff Eine Cola, einen HotDog und anschließend ein Gebäck bekommt, das Funktioniert nicht. Und dazwischen liegen unzählige Kilometer Dschungel. Wenigstens war das Wetter erträglich. Bewölkt aber kein Regen - bestes Fahrwetter.

Hier einige Eindrücke dieser Fahrt, die sich besser und einfacher mit Bildern beschreiben lassen, als mit vielen Worten, die am Ende ja doch nicht viel aussagen.
Hauptverkehrsrichtung am Straßenzustand zu ersehen Transandinischer Kanutransport Ich hatt' einen Kameradden
Mit Mercedes Benz voran Interesting Flora Mülltransport

Wir kamen nun langsam wieder in die Anden. Das GPS zeigte wirre Werte an, die angezeigte Höhe stimmte nicht mit dem Verhalten des Autos überein. Wenn man den Motor kaum noch hört, das Auto kaum noch beschleunigt, der Auspuff schwarz qualmt, als hätte man eine Altöleinspritzung, dann ist man definitiv auf etwa 3000 Metern Höhe.

Aber das GPS zeigte weit weniger an. Alles sprach gegen das Gerät. Ich ließ mich doch durch nichts beirren, da man hier kein GPS-Gerät braucht, hatte dieses auch kein Stimmrecht.

Von einem 280E überholt.

Es waren, mit Argentinien oder Peru verglichen, häßliche Serpentinen. Die Straße war eng, Teilweise bös mit Schlaglöchern besät, und Leitplanken oder Markierungsposten sogut wie nicht vorhanden. Amerikanische Autos wurden immer mehr. Ich denke mir, es lag an den Spritpreisen, denn die sind hierzulande wirklich ein Witz. Equador ist an sich ein billiges Reiseland und sehr unkompliziert. Kaum Polizei an der Straße, wir wurden nicht belästigt. Bisher - das muß ich leider feststellen, trafen wir die korruptesten Bullen in Nordargentinien. Die freundlichsten aber in Südargentinien, so, daß der Schnitt wieder hergestellt ist. Aber in dieser Beziehung lag Equador am weitesten vorne - bis jetzt. Wir wußten nicht, ob sich das ändern würde, aber bisher sah es eher danach aus, als würde es so bleiben - nur ein Gefühl. Es gab im ganzen Land kaum Checkpoints. Ich kann mich an keinen einzigen erinnern.

Diese Fahrt nach Quito läßt sich gut und gern mit der Fahrt nach San Pedro an der liberianischen Grenze vergleichen. Es war deutlich kälter, aber überall grün und die Straße war nicht viel besser. Es war allerdings ziemlich neblig. Die Fahrweise der Equadorer erinnert sehr stark an die der Ivorer. Das ist nicht die einzige Parallele, wie ich schon früher feststellte. Der 200D arbeitete sich brav die Steigungen hoch, wie schon zuvor unzählige Male. Wir würden schon ankommen. Aber nicht besonders früh. Wir waren unter den langsameren Fahrzeugen. Nur mit ganz alten Mähren konnte es der alte Kämpfer aufnehmen. Langsam aber stetig. Und wir wurden natürlich ständig überholt, daher dachte ich mir, es wäre gar nicht so verkehrt, mich hinter einen dieser mittelgroßen mittelalterlichen Transporter zu setzen. Im Folgenden Bild sehen wir eine Szene, die gar nicht selten ist: Eine Kurve am Hügel, es herrscht starker Nebel, eine Spur in jede Richtung, kein Seitenstreifen, keine Ausweichmöglichkeit (wenn, dann nur direkt nach unten, ein paar hundert Meter), durchgezogene Linie, die Geschwindigkeit betrug etwa 70 km/h. Aber das interessiert die Busfahrer nicht. Die überholen zu dritt hintereinander fünf Autos, zwischen denen der Platz nicht reichen würde, um einzuscheren. Wenn Gegenverkehr kommt, der bergab fließt und natürlich nicht daran denkt, sich an die vorgeschriebenen 100 km/h zu halten, dann ist Fahrkunst und Teamwork gefragt. Aber darin sind die Lateinamerikaner - mit ausnahme der Brasilianer (natürlich) und der Bolivianer (zumindest in La Paz) im allgemeinen ganz gut. Wie gesagt, man fährt miteinander, statt gegeneinander, wie wir es aus Deutschland gewohnt sind.

"Die Sache wird schon schiefgeh'n. Jawohl, Herr Kapitän..."

Wir kamen bei einbrechender Dunkelheit in Quito an und mußten uns erst einmal zurechtfinden. Es gab eine Altstadt und eine Neustadt. Des Weiteren war alles durcheinander. Aber das kannt' ich schon und fühlte mich dabei ganz wohl.
Die Neustadt war auch recht zivilisiert. Es gab zwar Warnungen vor Kriminellen, aber die kennt man auch schon. Es gibt keine südamerikanische Stadt, in der nicht davor gewarnt wird und ich persönlich fühle mich in Frankfurt am Main oder in Berlin weitaus mehr bedroht, als irgendwo in Südamerika. Alles nur Gequatsche. Es kommt immer darauf an, wie man sich gibt. Passieren kann überall was - und meistens passiert es eben daheim. Natürlich müßig, einer Gabi Z. L. das weismachen zu wollen. Doch dazu später.

Wir suchten uns ein feines Lokal, um zu dinieren. Im Lonely-Planet fanden wir eines, das scheinbar gerne von Touristen aufgesucht wird. An den Namen erinnere ich mich nicht mehr. Es hatte ein Parkhaus nebenan, daher kam auch nichts anderes in Frage. Sofort nachdem wir es betraten, stellte ich fest, daß das Lokal von Touristen regelrecht heimgesucht wird. Wir ließen uns nieder. Es machte einen dezenten Eindruck. Zwar etwas teuer für Landesverhältnisse, aber um Cat zu verabschieden war es durchaus angemessen. Ein sehr gediegenes Lokal. Man darf sich nicht dadurch irritieren lassen, daß man kaum Spanisch hört, sondern zumeist Deutsch oder Englisch. Das Essen - ausgesuchte Delikatessen - konnte man sich auf einem Teller selbst zusammenstellen und anschließend konnte man es nach Geschmack braten lassen. Exquisit.

Wüßte ich den Namen noch, ich würde es sofort empfehlen. Vielleicht war ja jemand in diesem Lokal und kann mir weiterhelfen..?

Mir war jedoch klar, daß wir auf einen Eklat zusteuerten. Ich hatte doch beiden eine Art Zusage gemacht, wissend, daß die Wünsche ganz konträr waren. Wenn keiner versteht, was der andere sagt, ist das ja nicht schwer. Konnte nicht gutgehen, mußte irgendwann auffliegen. Und der Zeitpunkt rückte immer näher, denn Cat wußte ja gar nichts davon, daß es hier um seine "Verabschiedung" gehen sollte.
Nachdem wir uns dann das Essen geholt und gemütlich die ersten Bissen gegessen hatten, fragte ich Cat, was denn der Plan sei, wo er denn zu übernachten vorhätte. "Im oder am Auto natürlich", sagte er uns sah mich an, als ob ich bekloppt wäre. "Dreck!", dachte ich mir, "na, dann auf in den Kampf", dann lachte ich und erklärte ihm, daß ich Gabi zugesagt hätte, daß wir ihn nur hier in Quito rauslassen und dann weiterfahren wollten nach Manta, um uns um "die Fähre" zu kümmern. Er schob nur die Unterlippe vor und signalisierte mit dem Kopf ein deutliches "Nein". Nach einer Pause, mit der Gabel munter durch die Luft schwingend: "Was ist denn das überhaupt für ein Quatsch? Ihr fahrt heute zurück - also gegen Mitternacht, ein oder gar zwei Uhr, denn Internet muß nachher auch noch sein. Wollt ihr in den Serpentinen übernachten? Weißt Du, was Dir die Alte erzählen wird? Oder wahlweise vier Stunden durchfahren, bis ihr unten seid, dann mußt Du irgendwann schlafen und pennst morgen bis in den Nachmittag hinein. Hast dann noch drei oder vier Stunden Helligkeit. Jetzt sag mir Du, als erfahrener Autofahrer, was Euch weiter bringt: In der Früh ausgeschlafen losfahren oder jetzt Hals über Kopf abfahren um dann in der Pampa einen Haufen Zeit zu verlieren?"
"Das brauchst Du mir nicht erzählen", erwiderte ich, "das Problem ist ja nicht das. Das weiß ich selber. Aber ich kenne sie gut genug, um zu wissen, daß ihr mit Logik nicht beizukommen ist. Wir sollten jetzt lieber ausdiskutieren, was wir ihr erzählen. Sie will fahren, je eher, desto besser. Und ich krieg 'nen Ohrenkrebs, wenn ich mir das Gemecker die ganze Rückfahrt anhören darf."
Das Gespräch ging weiter, immer wieder unterbrochen durch Essensholen oder durch Gabi, die ja kein Wort verstand und wissen wollte, worum es ging. "Ich versteh' immer nur 'ella, ella, ella', aber ich versteh nicht, was ihr über mich sagt, also, wenn das noch lange so weitergeht, dann sag's, dann geh ich raus." Warum sind häßliche Frauen meistens auch noch bescheuert? "Was soll ich denn machen? Hä? Soll ich schnell 'ne neue Sprache erfinden? Soll ich Deutsch mit ihm reden? Hättest halt in der Schule in Spanisch aufgepaßt!", möchte man ihr in's Ohr brüllen. Aber vergiß es. Einfach irgend etwas antworten, das ist lange gescheiter... Mit ihr war natürlich nicht zu reden. Egal, wie oder weshalb ich das Wort an sie richtete, die Antwort war "Wir fahren heut'!!", noch bevor ich irgendwas sagen konnte. Sie gab mir auch noch einen schlauen Rat, nämlich den, daß ich mich nicht immer im Leben jedem Konflikt aus dem Weg gehen könne, sondern ich solle mir so etwas wie Charakter zulegen und Farbe bekennen.

Cat holt sich Nachschub.

Dann wieder ich zu Cat: "Gut, also, sie hat gesagt, ich soll mich entscheiden." "Wie entscheiden?" "Mit anderen - mit meinen Worten: Entweder für die vernünftige Lösung des eigentlich nicht vorhandenen Problems, oder für ihren Schwachsinn." Damit war deutlich, worauf es hinauslaufen sollte. "Heißt das, ihr fahrt nicht?", fragte er, sichtlich beruhigt, "Ja, und das heißt auch, daß wir uns jetzt gemeinsam überlegen, was wir der erzählen..." Nach einiger Überlegung kam der konstruktive Vorschlag: "Gar nichts. Ich hau ihr einfach eine in die Fresse, bis sie sich nicht mehr rührt und wir werfen sie in irgendeine Schlucht in den Anden." Ich überlegte auch, dann sagte ich: "Der Plan ist schon gut, aber das Problem ist, daß ich die Nummer von der Master-Card nicht habe..." "Master-Card!?! Welche Master-Card?!? Ach! Ihre Master-Card!!!" "Ja, Du Penner, Du blöder. Meinst Du, ich nehme sie mit, weil sie so hübsch ist? Oder weil ich von ihrem reichen Erfahrungsschatz profitieren kann, den sie sich beim Warten auf die Straßenbahn in Stadtbergen angeeignet hat? Also. Können wir uns drauf einigen, daß wir uns hier und jetzt ernsthaft überlegen, was wir der erzählen?" Stille. Das verstand Gabi als Aufforderung, zu sprechen. "Hast Du es ihm jetzt klar gemacht, daß wir fahren?" Ich dachte mir: "Sei doch einmal still...", aber sagte "Ja, wie? Einfach das Gepäck ihm vor die Füße werfen, Hand schütteln und Tschüß, oder wie? Dich würde ich gerne sehen wollen, wenn ich das bei Dir machen würde." Aber Gabi kennt da nichts. "Er hat ganz genau gewußt, daß wir nach Zentralamerika fahren, er wußte schon, daß es knapp wird, als wir in Cuszco waren, da riet ich ihm schon, sich in einen Bus zu setzen und nach Hause zu fahren. Ich zahle für diesen Urlaub und ich bin nicht bereit, auch nur eine Sekunde länger zu warten, nur weil er meint, wir müssten hier bleiben und warten, bis er ins Flugzeug steigt. Hier gibt es Busse und Hotels und der Flughafen ist sicher nicht versteckt worden." Sagt sie, die es gerade schafft, alleine die Toilette aufzusuchen, und hängt abschließend an: "Mit seinen Sprachkenntnissen und seiner Reiseerfahrung ist das nicht zuviel verlangt, finde ich." Was auch schon wieder Schmarrn war, denn Sprachkenntnisse hatte er theoretisch eine Menge, aber in der Praxis sah en ganz anders aus. Und auch war es das erste mal, daß er überhaupt im Ausland war. Sie hatte mehr Sprachkenntnisse und sollte auch mehr Erfahrung haben - daß dies nicht der Fall war, liegt nur daran, daß man eben Stadtbergen zum Mittelpunkt der Welt erklärt und meint, der Rest der Welt wird auch nicht viel anders sein. Aber die Diskussion hier weiter zu erläutern wäre Stumpfsinn. Das Prinzip ist klar und deutlich: § 1: Gabi hat recht. § 2: Sollte einmal jemand anders recht haben, siehe § 1.

Wir zahlten und gingen alle drei hinaus. Cat und ich entschlossen uns, ihr gar nichts zu erzählen. Sie hatte doch gesagt, ich solle mir so etwas wie Charakter zulegen und nicht jedem Konflikt aus dem Weg gehen. Gut. Machen wir: "Gabi, ich fleh Dich an. Mach jetzt keinen Aufstand. Aber wir bleiben noch bis morgen." Sie zog gackernd und mit Kraftausdrücken um sich werfend davon. Cat war aber einigermaßen entsetzt. Der hat nicht ganz kapiert, was jetzt so schlimm daran sein soll, einen Tag länger zu warten, wenn man noch sechs Wochen Zeit hat. Doch ich kenne sie lange genug und ich weiß, daß es nicht der eine Tag hin oder her ist, der ihr so schwer zu schaffen macht, sondern einfach die Tatsache, daß es halt einmal nicht gelaufen ist, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Wir fuhren dann in ein Internet-Café. Cat mußte seine eMails checken. Ich eigentlich auch, aber ich rief nur die für die Weiterreise relevanten ab. Es war beispielsweise eines von Eikka da. Er riet unbedingt dazu, nach Kolumbien zu fahren. Man sollte es nur vermeiden, nachts zu fahren, ansonsten sei alles ganz tranquilo. "Go and see and smell the roses", lautete die Schlußzeile, wenn ich recht erinnere. "Nein", war Gabis Antwort, als ich gerade ansetzte, etwas zu sagen. Schade. "Almut!, wo bist Du?"

Ich mußte noch die Bilder herunterladen von der Kamera. Mit 8 MB kommt im Jahre 2002 auch bei niedrigster Bildqualität nicht weit. Ich versuchte festzustellen, ob der Rechner einen USB-Anschluß hatte. Der Tower stand auf dem Tisch, neben dem Bildschirm, also stützte ich eine Hand auf dem Bildschirm ab, eine auf dem Tower und beuge mich vor. Damit nicht das ganze Gewicht auf dem Bildschirn ruht, sondern das Bein auch noch möglichst viel von meinem geringen Körpergewicht aufnahm, gleichte ich mit einem Bein den Schwerpunkt aus, indem ich es im gleichen maße nach hinten schwang, als ich mich nach vorne beugte. Ich beugte mich natürlich etwas zügig vor, plötzlich spürte ich an der Ferse meines Stiefels einen leichten, weichen Widerstand, der aber bald nachgab. "Paß doch auf, hörte ich Gabi brüllen." Beeindruckte mich nicht besonders, denn ich konnte es sowieso nicht haben, dauernd überwacht zu werden, abgesehen davon, daß sie grundsätzlich nur brüllt wie ein Afrikaner und daher stellt Brüllen bei ihr kein Grund zur Aufregung dar.

Gabi hatte ich nicht umgestiefelt, sondern einen Miniatur-Equadorianer.

Der Kleine machte aber keinerlei Anstalten, losbrüllen, weglaufen oder auch nur weitergehen zu wollen. Der fand alles wunderbar gemütlich, blieb auch noch eine ganze Weile sitzen und sah Gabi an, als wäre er im Zoologischen Garten und hätte zum ersten mal einen Elephanten gesehen. Einen Ausdruck der Verwunderung mit einer kleinen Beimengung Angst und viel Unbedarftheit im Gesicht, so saß er da und glubschte aus seinen Augen. Auffällig war, daß beide ungefähr die gleiche Schuhgröße hatten.
Ich lud die Bilder auf den Server und sicherheitshalber auf Disketten. Damit war die Kamera wieder frei. Langsam wurden die Disketten knapp. Bald würde ich eine CD brennen müssen. Auch wieder eine Prozedur, die man sich unterwegs sparen sollte.

Für heute langte es mir schon wieder. Geht mir alles auf den Wecker. Schließlich reist man, um sich zu entspannen. Doch wenn Gabi in der Nähe ist, ist meistens nichts mit entspanen. Immer nur am Streßmachen, Granteln, Meckern, Drängeln, Besserwissen, Rumkreischen, alle sind dumm, nur sie ist gescheit. So, genau so habe ich sie in Erinnerung von ganz früher. Letztes Jahr hat sie sich etwas zusammengenommen, da war alles weitgehend in Ordnung, aber diesmal hatten wir noch nicht einmal Halbzeit.

Catarina wollte in einer Pension übernachten. Wir zogen also los und suchten eine. Wir fuhren die Gegend ab, in der die Fluggesellschaften ihre Büros hatten. Dann konnte Cat am nächsten Tag dort gleich nach Flügen fragen. Er hatte nämlich vor, auf möglichst billige Art und Weise zurück nach Brasilien zu kommen und wollte probieren, ob er nicht auf einer Cargomaschine einen Mitflug für billig schnorren konnte. Speditionen, Flug- und sogar Schiffahrtsgesellschaften fanden wir zu Hauf, nicht aber Pensionen. Cat schrie irgendwann: "Halt! Da war was, das hat so ausgesehen." Ich hielt an, fuhr ein Stück zurück und Cat stieg aus. Während er darußen war, blieben Gabi und ich im Auto und rauchten eine Cigarette. Plötzlich stand ein Uniformierter neben meinem Fenster. Ich sollte mitkommen, denn ich hätte die Ampel dort hinten bei Rot über fahren. War natürlich Quatsch, denn die war blendend grün, als ich darüberfuhr. Ich stieg aus ging mit ihm ein paar hundert Meter zur Ampel zurück. Es war eine Einbahnstraße. Die Gegenfahrbahn war durch einen Randstein getrennt und auch etwas tiefergelegen als unsere Fahrbahn. Auch eine Einbahnstraße, allerdings logischerweise in die entgegengesetzte Richtung. Dort, auf der Gegenfahrbahn, standen noch zwei weitere seiner Kollegen. Fahrzeuge sah ich keine. Sie standen zu dritt an der Kreuzung. Er erklärte seinen Kollegen, er hätte mich doch noch erwischt. "Um was geht es, meine werten Herren?", fragte ich unbedarft in die Runde. "Du bist über die Ampel gefahren, als sie schon rot war. Gerade eben, vor ein paar Minuten." Und wieder waren wir mittendrin in den "Verhandlungen". Die Taktik "Habla español no" war nun unangebracht, nachdem wir uns bisher bereits prächtig unterhalten hatten. Aber da es sich hier definitiv um eine Falschdarstellung des Sachverhalts handelte, hatte ich wenig Bedenken. "Nein, meine Herren", sagte ich in aller Fröhlichkeit, "sie müssen mich da mit jemandem verwechseln. Ich bin nicht bei Rot, sondern bei Grün ganz gemütlich über diese Ampel da gefahren." Sie ließen nicht locker. Wie ich hier einfach behaupten könnte, es stimme nicht, wo sie es doch alle drei gesehen hätten. "Was passiert in Ihrem Land, wenn Sie über eine rote Ampel fahren?", fragte mich einer von ihnen. "Da bekomme ich eine Strafe." Er nickte zustimmend, zückte seinen Strafzettelblock und sagte: "So ist es hier in Equador auch." "Weiß ich", sagte ich, "aber das betrifft mich nicht, denn ich bin bei grün über die Ampel gefahren. Das ist in Equador nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht..." Nun standen wir allerdings, wie bereits erwähnt, auf der Gegenfahrbahn. Die besagte Ampel stand also mit dem Rücken zu den Polizisten. "Wo waren Sie denn eigentlich gestanden, als ich angeblich über rot fuhr?", wollte ich wissen. "Na hier", sagte er und zeigte auf den Boden. "Aha... und wie haben Sie dann 'gesehen', daß ich über rot gefahren bin? Die Ampel sieht man doch von hier aus gar nicht leuchten." Der andere erklärte mir, daß die Ampeln gleichzeitig rot werden. Wenn also die auf der Gegenseite, also die von hier aus einzusehende, auf Rot schaltet, dann tut die andere auf der Gegenfahrbahn, dasselbe. "Soso...", murmelte ich und gab ihnen mit dem Kopf ein Zeichen, sie sollen mir das mal vorführen, weil ich zu blöd bin, einen Sinn dahinter zu erkennen. Schließlich war hier keine Querstraße, sondern es handelte auch nur um eine Fußgängerampel. Sowieso ein Witz, diese Fußgängerampel mitten im Gewerbegebiet, wo weit und breit kein einziger Fußgänger ist. Wir stellten uns so hin, daß man beide Ampeln sehen konnte und warteten. Der andere übergab mir den Strafzettel. "Danke. Solche Souvenirs mag ich. Die sind nämlich umsonst." Kurz darauf schaltete die Ampel auf rot. Sie drehten sich um und wollten mir zeigen, daß nun die andere auch rot sei. Doch die leuchtete munter grün vor sich hin und, wie zur Bestätigung, fuhr noch ein PKW in aller Ruhe über die Ampel. Erst viel später, schaltete sie auf rot. Ich hob die Schultern, setzte einen gekünstelten Ausdruck des Bedauerns auf und bedankte mich für die nette Unterhaltung. Sie mußten selber lachen, fragten mich, ob ich nicht noch ein paar Cigaretten hätte. "Ja, klar, Jungs, nehmt Euch. Da." Ich stiefelte wieder zum Auto zurück. Cat war wieder da. Wo ich denn gewesen sei. Ich erzählte ihm die Geschichte. "Hast Du schon wieder gezahlt?" "Null. Drei Kippen habe ich ihnen dagelassen. Dafür durfte ich den Strafzettel wohl behalten." Er würde in der Pension hier bleiben. "Ja, dann schau, daß Du rauskommst, Du Tunte! Wir müssen uns noch einen Nachtplatz suchen. Wo treffen wir uns morgen?" "Hier in der Gegend. Ich habe da vorne ein Büro gesehen, da will ich nachfragen. Gegenüber war eine Naviera, da könntest Du gleich nach der Überfahrt fragen. Sagen wir um 10..."

Ich fuhr mit Gabi weiter und kam um halb Elf an einer Tankstelle an, an der wir übernachten durften. Ich unterhielt mich noch eine Weile mit dem Tankwart. Der erzählte etwas von einer Fähre, die von Manta nach Cost Rica geht...


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