Panamericana-Tour 2002
Freitag, 16. August

Der Tag brachte alles ins Helle. Natürlich kein Vergleich zu unseren besten Nachtplätzen unten in Argentinien oder drüben in Afrika, aber immerhin bekam man einen leichten Anflug von wehmütiger Erinnerung an diese schönen Zeiten damals. Es war eine gewisse Aufbruchsstimmung in der Luft. Hier hatte ich etwas Bedenken, was die Fahrt anging. Gabi war weißgott keine Almut. Im Jahr zuvor war es nur eine kleine Tour durch das südliche Südamerika gewesen, doch hier handelte es sich um eine Transkontinentalreise. Zwar hieß der nördliche Kontinent auch Amerika, aber das sind lediglich Details. Streckenmäßig ist das jetzt bereits meine größte Fahrt an einem Stück. Catarina war zwar in allem wesentlich lockerer als Gabi, aber Auslandserfahrung hatte er Null. Bei der Beurteilung mancher Sachen half aber die Tatsache, daß er in Südamerika lebt und so viel Unterschiede bestehen nicht, wenn es um gewisse reisetechnische Dinge geht, besonders um Papierkrieg. Er hätte sicher vieles besser hinbekommen, als ich es tat, weil er sich weniger durch die Ratschläge von Gabi aus der Bahn werfen ließ. Die konnten ihm nichts, da er kein Wort verstand. Aber er konnte kein Spanisch. Besser: Er wußte nicht, daß er spanisch konnte. Das bekam ich einfach in seinen Kopf nicht hinein, daß er einfach alles so aussprechen soll, wie es geschrieben wird. "Das tue ich doch, Du Unglücklicher..." Nein. Tat er nicht. Aber kapieren konnte er nicht, was er falsch machte. Er war schon lange dazu übergegangen, Portugiesisch langsam und mit irgendeinem seltsamen Akzent zu sprechen. Das half ein bißchen. Aber er konnte seine Umgangssprache nicht loswerden. Hochportugiesisch hätte sehr geholfen - ich bezweifle aber, daß es das in Brasilien überhaupt gibt.

S 04° 12,296' / W 81° 06,235'
Klarschiff zum Auslaufen...

Wie dem auch sei. Wohl war mir bei dem Gedanken plötzlich nicht mehr, allein mit Gabi nach und durch Zentralamerika zu fahren. Sie kann sich nicht einen Millimeter lösen von ihrer deutschen Art, die Dinge zu sehen. Und ihr irgendetwas aus- oder einzureden, das funktioniert nicht. Haut nicht hin. Beginnend von dem Punkt, an dem man meint, etwas in richtig oder falsch einteilen zu müssen. Kann man ja gerne machen, aber es ist weitaus komplizierter als es scheint, sobald man sich unter Menschen befindet, die eine von Grund auf andersartige Sozialisation genossen haben. Die keinen Staat haben, der sie berichtigt, der sie stützt, der ihnen den Weg mehr oder weniger weist. Menschen, die nicht einen Bruchteil dessen als selbstverständlich hinnehmen können, wie wir es können, Menschen, die es nicht anders kennen und die keine Ahnung haben, wie es woanders aussieht. Das gilt für den Großteil der Einheimischen in gleichem Maße als es für Gabi gilt, mit dem Unterschied, daß sie die Gelegenheit hat, sich das alles zurch die Windschutzscheibe anzusehen und es zu studieren. Die meisten Menschen, denen wir hier begegnen waren nie in Europa und werden auch nie nach Europa kommen. Von Ihnen entsprechendes Benehmen zu erwarten ist ein Schmarrn.

Ein paar Stunden noch, und wir würden an der Grenze sein. Equador hat den US-Dollar als Währung, wie man dem Reiseführer entnehmen konnte. Das war schon mal gut, denn man mußte sich nicht mit den Spielzeugwährungen hantieren und umrechnen und wechseln und Dollar braucht man immer, egal, wo man ist. Der Verkehr nahm zu, je mehr wir uns der Grenze näherten. Immer mehr equadoriesische Kennzeichen sahen wir und noch mehr alte amerikanische Autos. Equador fördert Erdöl, die Spritpreise sollten daher nicht allzuhoch sein. Das ist eine erklärung dafür. Und es ist gut für uns. Doch erstmal mußten wir da hinkommen.

Ein Bild, das man an keiner Europäischen Grenze vorfinden wird.

In dem Grenzkaff herrschte eine rege Tätigkeit. Wie immer und fast überall in peruanischen Städten, bietet sich dem europäischen Betrachter scheinbar ein Bild des perfekten Chaos. Autos, Radfahrer, Handkärren, Fußgänger, Köter, schreiende Händler, Kleinbusse mit integriertem Schreier, der im Staccato erklärt, wo der Bus hinfährt. Auch die Verkaufsstände sind wie Kraut und Rüben. Reifenhändler neben Fischändlern neben Souvenirhändler neben Haushaltswarenhändler neben Kleidungshändler neben Handarbeitsartikelhändler. Das Erstaunliche ist, daß trotz des ganzen scheinbaren Wirrwarrs, die Wahrscheinlichkeit, daß hier einer einem vor das Auto springt geringer ist, als an einer wenig belebten Straße in Mitteleuropa. Meine Theorie ist die, daß die Menschen hier weniger ihren Intellekt gebrauchen, der sowieso bei Menschen im allgemeinen und in der Masse im besonderen noch nie funktioniert hat. Sie vertrauen vielmehr auf ihren gesunden Instinkt und sind damit weiter, als die Mitteleuropiden, die ihre intellektuelle Verbildung zur Maxime erhoben, ohne zu merken, daß die Kraft des Geistes nur einigen wenigen vorbehalten ist und nun mal nicht jeder Hans Dampf ein Philosoph ist, nur weil er lesen und schreiben kann. Oder wie kommt es, daß Tiere, denen man jede Art von Intelligenz abspricht, sich weitaus menschlicher verhalten, als der Mensch, der das Wort Menschlichkeit überhaupt erst erfunden hat?

Wir erreichten schließlich die Grenzstation, erledigten die Papiere für das Auto, unsere eigenen. Diesmal ohne großes Theater und ohne große Aufregung. Mal sehen, wie es drüben in Equador aussieht. Die Päße behielt ich gleich, denn bis zur nächsten Grenzstation war es gar nicht weit.

Vor der peruanischen Grenzstation.

Das Straßenbild änderte sich nicht großartig an der equadorianischen Grenze. Überall Händler, Rikschas, Schreier, was nicht noch alles und vor allem diese nervenden schreienden Kinder. Da könnte man eines nehmen und das andere damit erschlagen. Eigentlich ein sehr witziges Bild. Es klang nicht mal anders. Das Spanisch war bisher in Chile am schrecklichsten. Hier oben sprachen sie wieder verständlicher und hielten sich mehr an das Geschriebene. Hauptsache, man kann sich verständigen. Man sticht zwar etwas aus der Masse heraus und ab und zu hört man einen Ruf "Hey, Osama Bin Laden!" Doch daran war ich längst gewöhnt und fragte mich langsam, ob ihnen nicht langsam etwas neues einfällt, denn das wird schon langsam langweilig. "Und wer oder was bist Du?", fragte ich den dritten, der mir damit kam. Aber die denken sich weiter nichts dabei. Ist wohl recht seltsam, wenn sie jemanden mit Bartwuchs sehen, und wenn es noch so spärlich ist. Die Leute hier haben nämlich sowas nicht.

An der Grenzstation angekommen erledigten wir erst unsere Einreise. Das war einfach. Wir bekamen unsere Stempelchen hier und da und alles war erledigt. Dann kam das Auto dran. Und hier wurde es wieder kompliziert. Erst schien es gar nicht so. Sie gaben mir ein Papier für den Grenzverkehr. Für Autos mit peruanischer Zulassung. Ich überlegte lange, ob ich was sagen sollte oder nicht. Ich ließ es dann. "Think african..." Nichts fragen, nichts berichtigen, das macht es nur komplizierter. Hauptsache, man hat ein Papier in der Hand, das man vorzeigen kann, alles andere erledigt sich von selbst. Er beriet sich mit seinem Kollegen. Ein anderer Typ, der die ganze Zeit im Raum gestanden hatte, in Zivil gekleidet war, und den ich verdächtigte, einer dieser nutzlosen Helfer zu sein, die einem das erklären, was man eh schon weiß, um hinterher Geld zu verlangen, schaltete sich ein. "Wo ist das Auto zugelassen?", fragte er mich, schätzungsweise, weil er an der Zahlen-Buchstaben-Kombination des amtlichen Kennzeichens sah, daß etwas nicht stimmte. "In Deutschland..." Er erklärte allen, daß in diesem Falle ein zum Fahrzeug gehörendes Papier ausgefüllt werden müßte, von dem ein Streifen beim Zoll bleibt. Das "Carnet de Passages", fiel mir ein. Ich war in Deutschland ohne das losgefahren und seit der Elfenbeinküste kam dieses mir verhaßte Papier gar nicht mehr zur Aussprache. Damals konnten wir es regeln, ich würde es auch diesmal regeln können. Aber der Klugscheißer da mußte erst mal weg, denn die anderen beiden hatten keinen Plan von nichts. Ich hatte es schon fast soweit, daß es losgehen konnte, da kam mir dieser Depp daher. Den brauchte ich, wie ein Loch im Kopf. Idiot!

Blick von der equadorianschen Grenzstation hinaus auf die Straße. Ob hier wohl irgendeiner übersieht, wer raus und wer reingeht, das blieb mir ein Rätsel. Kümmert wahrscheinlich niemanden...

Ich legte ihnen den internationalen Fahrzeugschein hin und erklärte ihnen, daß das das "Carnet de Passages" sei. Dem Zöllner konnte ich das noch verklickern, aber der andere ließ sich nicht so leicht überzeugen. Ich wurde zum ersten mal grantig und sah ihn scharf an. Ich versuchte eine Situation herzustellen, bei der klar wurde, daß der Zöllner die Autorität in diesem Raume sei und nicht er. Er erklärte dem Zöllner, daß erst deutsche Touristen hiergewesen seien und bei denen sah es anders aus. "Das sind die neuen, meines ist das alte, ich bin schon seit zwei Jahren dort weg", zischte ich ihn an. Den Zöllner wurde es zuviel und er griff zum Telephon. Nach einer Weile legte er auf und sagte mir, ich solle zum Zollbüro gehen. Er beschrieb mir den Weg. Ich bin ein Orientierungsidiot und wiederholte nochmals alles. Er gab meinen Paß dem Trottel und wies ihn an, mir den Weg zu zeigen. Als wir draußen waren, bat ich sofort um die Herausgabe meines Paßes. "Nein, wir müssen zum Zoll, der ist dort." "Nein. Nicht wir, sondern ich muß zum Zoll". Ich warf einen Blick zum Auto, aber Cat konnte mich nicht sehen. Ich tat einige Schritte auf das Auto zu, ging also in die entgegengesetzte Richtung. Cat stieg aus, ich winkte ihm zu, er machte eine Geste, die soviel hieß wie "Was geht? Was los?" Ich deutete auf den Kasper, auf den ich mich mit ausgestreckter Hand, auf den Paß deutend, zubewegte. Er gab ihn mir. Dann gab ich Cat ein Zeichen, daß alles OK sei und er am Auto bleiben solle. Ich ging dann zum Zoll. Ich sagte dort, daß man mich hierhergeschickt hätte, weil man mit meinem Kennzeichen nichts anzufangen wüßte. Man öffnete eine Tür, bat mich hinein, öffnete eine weiter Sicherheitstür und bat mich dort hinein. Sehr gut. Ein klimatisiertes, schön eingerichtetes Büro. Das einzige, was dieser Raum mit der Straße gemeinsam hatte, war, daß jeder am Brüllen war. Es war noch ein Tick unangenehmer, weil viele Frauen im Raum waren und die können nicht richtig brüllen - die kreischen. Es hörte sich an, wie im Affenstall. "Haltets Euer Maul, ihr Schlampen!", zitierte ich meinen alten Wirtschaftslehrer, Dr. Riegele. Aber auf mich hört ja sowieso niemand...

Ich saß da eine halbe Stunde, bis einer kam, der etwas wichtiger aussah, und es wurde stiller im Raum. Nur die Leute, die am Telephon waren, die quasselten weiter. Er deutete auf mich und murmelte einen Befehl, dem man sogleich nachkam, und zwar dadurch, daß ich aus dem Raum befördert wurde. Die Papiere blieben dort. Ich durfte in einem anderen Raum platznehmen, vor einem Schalter, hinter dem sich wiederum das Büro befand, aus dem ich gerade hinausgeschmissen wurde. Aber auch hier war nichts anders. Ich wartete und wartete. Ich war die einzige Person im Raum. Hinter dem Schalter setzte sich eine Frau, die aber keine Anstalten machte, mich aufrufen zu wollen. Ich lief auf und ab, und wieder auf, wie ich es immer mache, wenn ich telephoniere. Allerdings telephonierte ich nicht. Es gab auch in dem Raum nichts, mit dem man etwas hätte anstellen können, etwa ein Bild, das man verkehrt herum aufhängen oder eine Pflanze, die man entblättern konnte. Wie im Gefängnis. Nur, daß die Tür offen war. Afrika war eine gute Schule. Stellt man nämlich irgendetwas an, was die Leute überhaupt nicht einordnen können, dann werden sie auf einen aufmerksam. Es sollte natürlich nichts Schlimmes sein. Nur etwas, was keinen Sinn macht, so daß sie meinen, man hätte einen an der Waffel. Dann machen sie hin, damit sie einen los sind. Spinner braucht keiner in seiner Nähe, nicht mal Afrikaner. Aber hier war nichts, was man anstellen konnte, so wartete ich weiter. Ich untersuchte das Fenster, ob es daran etwas spannendes gab. Nichts. Es war verriegelt, das Vorhängeschloß hatte einen Zylinder. Für mich nicht knackbar. Ich fuhr mit dem Finger demonstrativ über die obere Ecke de Fensterrahmens, wandte mich recht schwejkhaft und zeigte ihr wortlos mit einem Ausdruck des Ekels meinen nun schwarzen Finger. Sie sah mich verständnislos an, wollte erst weiterschreiben, doch stand dann auf und verschwand im Büro. Sie kam wieder mit meinen Papieren und bat mich darum, ihr beim Ausfüllen zu helfen. Doch ich sollte noch warten, bis der Stempel da sei. Sie brüllte nach dem Stempel. Den konnte erstmal keiner finden. Sie fragte mich, welche Zahlen auf dem Fahrzeugschein welche Bedeutung hätten. Ich erklärte ihr alles. Dann kam ein Laufbursch mit dem Stempel und Stempelkissen. Fast eine ganze Paßseite ging dafür drauf. "IX Distrito de Aduanas - Huaquillas - Ecuador" Dann die üblichen Fahrzeugdaten. Ich fragte, ob ich das ausfüllen sollte, ich hätte Übung darin, so würde es viel schneller gehen. Sie lehnte ab. Sie müsse das machen. Unter Motornummer trug sie die Fahrgestellnumer ein und fragte mich dann nach der Fahrgestellnummer. "Merksch was?", dachte ich mir. Ich erklärte dann kurzerhand die darüberstehende Schlüsselnummer zur Fahrgestellnummer, und so stand unter Chassis eben 0709/3010362 für die Aufenthaltsdauer in Equador. Kümmert sowieso keinen - außer, man gerät an einen spitzfindigen Polizisten, der daraus ein Drama macht, um einem ein paar Dollar aus der Tasche zu ziehen. Aber laßt sie nur kommen, denn "wer auf uns trifft stößt auf Granit..." Ich ging wieder mit dem Stempelchen im Paß zur Grenzstation zurück. Cat ging diesmal mit und ich zeigte den Zöllnern dort stolz den Stempel vor. Die Zöllner sollten nur überprüfen, ob die Angaben auf dem Stempel mit denen des Fahrzeugs übereinstimmten. Der Kasper war immer noch, saß am Tisch mit den Zöllnern und fing gleich wieder an. "Das stimmt so nicht, die müssen ihm einen getrennten Zettel mitgeben, weil..." Ich unterbrach ihn, indem ich mich beiden Händen auf den Tisch schlug, mich über ihn beugte und ihn anschrie: "Genug jetzt! Wer ist hier die Autorität, wer ist der Zoll?" Indem ich die Zöllner dann ansah, fuhr ich weiter: "Dieser Typ, etwa? Wer ist denn das überhaupt? Muß er Euch, Euren Job erklären? Was macht der überhaupt hier? Ist das eine Grenzstation oder ein Irrenahus? Mit wem verhandle ich hier?" Cat fiel ein und sagte langsam auf Portugiesisch: "Ich werde jetzt sofort die Botschaft anrufen..." Ich hieß ihn Stillsein und mich machen zu lassen. Die Zöllner schickten den Störenfried hinaus. "So...", sagte ich, "jetzt können wir vernünftig reden... Also: Ich war drüben, die haben mir diesen Stempel in den Paß getan, so daß ich das Auto hier in Equador nicht unverzollt verkaufen kann. Das ist alles. Was anderes macht das Papier hier auch nicht. Ist sogar besser, denn das hier kann ich einfach wegwerfen, aber ohne Paß kann ich nirgendwohin." Klang logisch, alles war in Ordnung, sie überprüften nicht viel und endlich, endlich, durften wir losfahren. Auf dem Weg erklärte ich Cat, daß der Tick mit der Botschaft im Land oder bei der Ausreise funktioniert, aber nicht bei dedr Einreise. Die Botschaft kann nichts machen, wenn wir noch nicht eingereist sind, und daß die brasiliansiche Botschaft etwas macht, das sei stark zu bezweifeln.

"Weiter geht's", sagte ich beim Einsteigen. Wir fuhren los. Als erstes zu einer Tankstelle. Es mußte gebunkert werden. Equador hatte als Währung, wie schon erwähnt, den US-Dollar. Sehr angenehm.

Es wurde zusehens grüner. Gabi freute sich, Cat war es wurscht und mich beschlich eine gewisse Beklemmung.

Bei der ersten Tanke hielten wir. An dieser Tanke war ein Hochstand und darauf war ein mit Pumpgun bewaffneter Wächter. Gabi hatte dabei ein ungutes Gefühl. Daran muß man sich in Südamerika einfach gewöhnen. Wie würde die erst in Honduras schauen? Eikkas Report besagte, daß dort ein jeder Mann auf der Straße eine Wumme bei sich hätte. Ganz offen.

Ich verschwieg ihr das tunlichst, um nicht das ganze Unternehmen zu gefährden. Ich war über die Dieselpreise angenehm überrascht: 0,88 US$ pro Gallone, das entspricht einem Literpreis von etwa 0,22 US$ pro Liter, nicht einmal 50 Pf. Das kommt nahe an Libyen hinan... Aber immer noch das Zehnfache. Wir tankten ujdnfuhren weiter. Schon auf dem Weg zur Tanke fuhren wir durch Bananenhaine. Igitt!

Diesel- und Wassertank wurden aufgefüllt, die Kanister blieben vorerst leer.

In Equador lag ein Projekt an. Es war nicht ein Land, wie alle anderen, die wir einfach nur zu durchfahren gedachten. Von Equador aus sollte nach Zentralamerika verschifft werden. Cat wollte so lange wie möglich dabeibleiben, denn er hatte nächstes Jahr vor, in die USA zu fahren. Nun war er immerhin schon mal mit Grenzprozeduren vertraut. Visatechnisch ist Lateinamerika für Deutsche kein Problem. Wie es bei Brasilianern aussah, das wußte allerdings nur der Teufel.

Das erste Ziel hieß Guayaquil. Schon nach wenigen Duzend Kilometern war alles grün um uns. Bananenstauden, soweit das müde Auge reichte, alles grün in Grün. Nichts mehr ließ ahnen, daß wir uns noch vor kurzem in der Wüste befanden. Bis zum Äquator war es noch weit. Dieses Grün macht einen krank, da bekommt man Augenkrebs. Chiquita- und Dole-Bananen kommen von hier. Das merkt man auch sofort.

Weiter ging es durch endlose Bananenplantagen.

Wir hielten einmal an, um Essenzufassen. Oft stehen am Straßenrand Verkaufsstände aus Holz recht unmotiviert in der Landschaft. An einem dieser hielten wir an. Die hatten das, was wir in Brasilien als "Pastél" bezeichnen. Taschen aus einem recht dünnen Teig mit Käse gefüllt. Die kosteten hier umgerechnet 3 Pfennige und ich fraß eine nach der anderen. Auch Coca-Cola gab es zum Spottpreis von 30 Pfennigen. So läßt es sich leben. Alles Essentielle ist praktisch umsonst: Diesel, Cola und gutes Essen. Die ganze Sache ließ nur einen Haken vermuten: Die Löhne werden hier dementsprechend sein.

Guayaquil sollte heute noch zu erreichen sein. Und wir wußten auch schon, was die erste Anlaufstelle dort sein würde: Der Hafen. Gleich hinein in medias res. Nicht lange gefackelt, denn die Verschiffung war die größte Hürde im ganzen Projekt Panamericana. Daran konnte alles zerscheitern. "Wird schon klappen", immer optimistisch bleiben. "Gar kein Problem. In Afrika war es weitaus schwieriger, und wir haben doch gesiegt."

Während es in Richtung Guayaquil ging, gewöhnte ich mich langsam an die Tatsache, daß ich Wüste wohl erst wieder in Mexiko sehen würde - wenn überhaupt, denn Playa del Carmen liegt auf der Yucatan-Halbinsel. Das ist Karibik und die hat mit der Wüste weniger gemeinsam als der Nordpol. Aber erstmal hinkommen, nach Mexiko. Bis dahin war es noch ein steiniger Weg. "Fahren, siegen, oder untergeh'n", hieß das Motto. Ein nettes Bild sah ich an einem Kreisverkehr, von dem ich unbedingt ein Bild machen mußte:

Deutsche Technologie für die Wege Equadors. General Tire

Ich wußte zwar nichtk, daß es die Marke General Tire überhaupt gab, geschweige denn, daß sie deutscher Technologie entsprang, aber es klang gut. Deutscher Erfindergeist erstellt, nicht nur alle Motoren in der Welt, sondern auch vieles andere mehr. Mich wundert es nur, warum die Deutschen immer noch zu blöd sind, die Produkte ihres großartigen schöpferischen Genies - man nennt es gemeinhin "Auto" - auch entsprechend zu benutzen. Nobody is perfect...

Die Straßen hier waren soweit in sehr gutem Zustand. man konnte sich nicht beschweren. Die Beschilderung war südamerikanisch. Das Geld können Sie sich genausogut sparen. Auf der dicken Straße, die unweigerlich nach Guayaquil, der eigentlichen Hauptstadt des Landes führt, findet man ein Schild, das einen nach rechts abbiegen läßt, um nach Guayaquil zu kommen. Das kommt einem nach einer Weile komisch vor und man achtet auf die Schilder für die Gegenfahrbahn. Und da heißt es dann wieder Guayaquil geradeaus, also genau entgegengesetzt. "Was ist das denn für eine Sch...?" Man regt sich natürlich maßlos auf, obwohl man es eigentlich besser wissen sollte. Cat konnte keine Karten lesen, Gabi zwar schon, aber nur in Deutschland. Die Strukturen, die die Beschilderung aber dort hat, läßt jedes bisher befahrene Súdamerikanische Land missen. Haut nicht hin. Man muß sich durchwurschteln. Wir fuhren wieder zurück auf die Hauptstraße und darauf weiter. Und bald erblickten wir die Sillouette von Guayaquil bei Sonnenuntergang.

Die Himmelslinie von Guayaquil.

Erinnerungen an Abidjan wurden wach. Abidjan erreichten wir auch so um die Uhrzeit und erlitten einen Kulturschock. Hier war es nicht gar so schlimm, aber der Unterschied war doch beträchtlich. Hochhäuser, Industrie, alles, was zu einer Großstadt so dazugehört war da. Es dauerte noch eine Weile, bis wir ankommen würden, denn wir wollten noch an einer Tankstelle außerhalb der Stadt duschen.
Da muß man sich an den Schwerlastverkehr halten, denn in der Stadt sind Tankstellen mit Duschen erfahrungsgemäß sehr schwer zu finden. Doch an den wenigen Überlandstraßen kann man schon eher damit rechnen. Wir kamen in die Vororte. Eine Tankstelle neben der anderen, aber eine Dusche hatte keine. Und wenn man doch mal eine Tankstelle fand, die eine Dusche hatte, dann war die Dusche defekt.

Wir beschlossen, es auf später zu verschieben. Erstmal zum Hafen. Auch die Stadt an sich erinnerte mich an Abidjan. Nicht nur, weil auch dort eine Verschiffung anstand, sondern die Brücken und Viadukte, der rege Verkehr, sogar die Shopping-Mall, die wir besuchten, erinnerte mich an das Cap Sud. Die Hafengegend auch, aber die sieht wohl überall auf der Welt gleich aus. Und die Beschilderung in der Stadt stimmte einigermaßen. Es wurde nun langsam dunkel. Als mit Schildern wieder mal gegeizt wurde, fragten wir an einer Tankstelle nach - wie wir es in Abidjan auch taten. Wir waren Richtig. Die große Straße endet am Hafen. Wir fuhren bis zum Schluß und kamen auf einen Platz, an dem sich die LKW schon fast stapelten. Ich tat es wieder so, wie damals in Abidjan. Hingehen und fragen. Irgendwann wird man schon mal an den richtigen geraten. Ich stieg aus. Irgendwo muß man ja anfangen. Ein Container stand dort, in dem sich einige Offizielle tummelten. Ich grüßte freundlich, stellte meine Situation dar und fragte, wohin ich mich wenden müßte. Zur Kommandantur vond er Marine. Die sei auf der gegenüberliegenden Straßenseite, allerdings jetzt schon geschlossen. Freitag war auch noch. Wochenende - auf jeder Reise möglichst vermeiden. Da mußten wir wohl bis Montag warten. Nichtsdestotrotz wollte ich, da wir schon einmal am Hafen waren, gleich loslegen, möglichst viele Informationen sammeln. Wir fuhren vor eines der Hafentore. Ich stelte mich auf den Parkplatz und während Gabi kochte, zog ich los. Ich besprach vorher noch kurz mit Cat, was ich vorhatte. Normalerweise findet man das Schiff über die Schiffahrtsgesellschaft, nicht umgekehrt. Aber steht ja nirgendwo geschrieben, daß es nicht andersrum auch geht. Irgendeiner auf dem Schiff wird wohl den zuständigen bei der Gesellschaft kennen, oder zumindest die Gesellschaft. Und der Kapitän hat das letzte Wort, warum nicht das letzte zuerst einholen?

Mit dem Auto durften wir nicht hineinfahren, obwohl wir es versuchten - auf die plumpe Tour "Oh, wußte ich nicht..." Aber ich brauchte das Auto dort drinnen nicht. Ich probierte es zu Fuß. Ein Posten. Ich fragte ihn, ob ich hineinkommen könnte. "Warum? Hast Du eine Genehmigung?" "Nein, ich dachte, Sie würden mir die erteilen." "Was willst Du denn im Hafen?" Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Er ließ mich passieren. Ich ging einige hundert Meter weiter, da stand dann der nächste Posten. Der stellte die gleichen Fragen und anschließend fest, daß er durstig wäre und gerne eine Cola hätte. Ich verstand und gab ihm 50 Cent. Die Münzen sind übrigens keine amerikanischen, sondern equadoriesische. Dann war ich drin. Ich stiefelte die Pier entlang, und fing ganz links an. Ich ging auf die "Knud Lauritzen" an Muelle 1. "Hallo, ich würde gerne mit einem Offizier sprechen", begrüßte ich den Matrosen. "Wer sind Sie?" "Ich bin ein deutscher Tourist." "Und was wollen Sie mit einem Offizier besprechen?" "Verschiffungsangelegenheiten..." "Wie kommen Sie überhaupt hierher?" "Über den Niedergang", grinste ich ihn an. Er kam nach einer Weile zurück. Es befände sich zur Zeit kein Offizier an Bord. Dann würde ich gerne den Diensthabenden sprechen." Es kam einer daher, hatte keine Uniform an, und fragte mich, was ich denn wolle. Ich schilderte ihm die Geschichte. "Hm. Da müssen Sie tatsächlich mit einem Offizier sprechen. Am besten mit dem Kapitän. Aber der ist nicht da, der kommt erst spät in der Nacht wieder." Wäre ja ein Wunder, wenn es beim ersten Mal klappen würde. Nächster Pott, die "Charles Island". Ich stieg den Niedergang hinauf, fragte nach, wo das Schiff hinfährt. "Peru", war die Antwort. OK. Wieder runter. Nächstes. Es war eine Kette quer vor den Niedergang gespannt. "Darf ich hinaufkommen?" "Ja", hieß es - wider Erwarten. Ich ging hinauf. Ich redete immer Englisch. Am Dialekt erkannte ich, daß der Typ irgendwo aus Ostasien sein mußte. Indien, Pakistan, die Gegend. Ich legte ihm die Geschichte dar. Er holte den First Officer. Ich erklärte ihm wieder die ganze Geschichte, doch etwas ungeschickt, wie sich bald herausstellte, denn es hörte sich so an, als wollte ich eine Überfahrt schnorren. Das Schiff fuhr nach Panama. Da wollten wir ja hin. Ich versuchte, das Ungeschick zu glätten, aber er ließ nicht mit sich reden. Alles, was ich eigentlich wollte, war zu wissen, ob es überhaupt möglich ist, daß das Schiff Fahrzeuge an Bord nahm. Alles andere wollte ich mit der Verschiffungsgesellschaft klären. Aber so ein Affe, der seine ganze Jugend als Paria irgendwo in den Straßen von Delhi verbracht hat und nun eine Uniform tragen darf, der kommt sich natürlich sofort vor, wie Allah persönlich. Nichts zu machen.

Warnungen vor Drogen und vor dem Versuch, sich als Blinder Passagier an Bord zu schleichen:
"Sich in den Frachträumen als Blinder Passagier zu verstecken bedeutet den Tod."

Ich ging weiter zum nächsten Schiff, die "Chaiten", die unter russischer Flagge fuhr, und auf der wohl schon Lenin mitgefahren sein mußte. Ein klassischer Seelenverkäufer. Absage. "Mogami Keefer": Absage. "Swan Stream": Keine Zusage. Auf der "Auckland", die unter Chinesischer Flagge fuhr: Gar nichts... Gar keiner da. 1,2 Milliarden Chinesen auf der Welt, aber keiner da, der mit mir reden wollte... Bei der "Sun Alex" (Litauen), fast das gleiche. So ging die Zeit dahin. Ich gab auf, ging wieder hinaus auf den Parkplatz und schilderte Cat und Gabi die Lage. Ich erzählte ihm die Geschichte mit dem Inder. "Das war genau der Zeitpunkt, bei dem Du fragen mußt, wieviel er will", sagte Cat. Die Sache liegt meiner Ansicht nach ganz anders: "Schwachsinn. Das läuft so nicht. Der kann nicht den Kapitän übergehen, der wiederum seinerseits auch nicht die Gesellschaft übergehen kann. Selbst wenn: Das können wir uns bei weitem nicht leisten, denn dann reden wir nicht von ein paar hundert Dollar, das sind hier andere Dimensionen." Ich wollte vom hinteren Ende her anfangen: Eine Zusage eines Kapitäns bekommen, daß er uns mitnehmen würde und den Rest mit der von ihm genannten Gesellschaft klären. In Abidjan hatten wir den umgekehrten Weg genommen. Erst die Gesellschaft, dann den Kapitän. Aber wenn man schon mal die Zusage vom Kapitän hat, dann kann man zur Gesellschaft gehen und braucht nur noch die Formalitäten zu klären.

Ich bat Gabi um die Herausgabe einiger Münzen. Das "Eintrittsgeld", sozusagen. Ich ging wieder hinein in den Hafen und klapperte die gleichen Schiffe wieder ab. Wieder einige Stunden, wieder ohne Ergebnis. Kann man nichts machen. Aber probieren kann man es. Mehr als Neinsagen können sie nicht. Aber ich bekam auch keine Adresse oder Telephonnummer von einer Schiffahrtsgesellschaft heraus. Für heute gab ich es auf. Aber wir würden wiederkommen. Das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Noch nicht einmal das erste...

Wir fuhren hinein nach Guayaquil, um eine Dusche zu finden. In der Stadt fanden wir nichts. Immer nur Hinweise auf die Tankstellen außerhalb der Stadt auf der Landstraße oder in den Außenbezirken, wo die Lasterfahrer alle übernachten würden. An einer der Tankstellen stand wieder einmal ein besonders gutgekleideter Security-Typ mit der Schrotflinte in der Hand und einer Splitterschutzweste. Cat machte mich auf ihn aufmerksam und hatte die Kamera in der Hand. Ich zückte die Kamera und fuhr vor ihn hin. Ich zeigte ihm die Kamera, er nickte. Ich machte ein Bild, Cat auch - der will bestimmt Japaner werden, wenn er groß wird - und Gabi regte sich darüber auf. "Was ist denn?", fragte ich nach hinten. "Dann frag halt wenigstens, bevor das machst, weil ich nicht weiß wie die Leute reagieren." "Bist Du erschossen worden?", fragte ich Cat. "Nö, glaub nicht. Du?" "Glaub auch nicht...", dann zu Gabi, "ist alles halb so wild, siehste? Außerdem hab ich gefragt." Wir fuhren weiter.

Augen geradeaus! Präsentiert das Gewehr!
An der Haltung muß noch ein wenig gearbeitet werden. Schrecken tun diese Leute wahrscheinlich nur die Diebe, denn richtige Räuber fahren grundsätzlich andere Kaliber auf.

Nach langem hin- und her entschlossen wir uns zu der Tankstelle zu fahren, an der wir schon am frühen Abend gewesen sind, und die eine nicht funktionierende Dusche hatte. Allerdings hatten sie einen Gartenschlauch, der in die Dusche hineinragte. Wenn nichts anderes da ist, dann muß man halt benutzen, was da ist. Cat konnte man dazu nicht überreden. "Spinnst Du? Ich dusch mich doch nicht mit kaltem Wasser." "Schwuchtel, Memme, Waschweib!" Anschließend wollte er noch nach einer Warmwasserdusche suchen. Taten wir, fanden nichts. An einem der vielen Straßenverkaufsstände hielten wir und aßen etwas. Dann suchten wir nach einem Nachtplatz. Zu diesem Zwecke fuhren wir in die Richtung, aus der wir ursprünglich gekommen waren. Südost. Ich konnte mich erinnern, daß ich da einige Felder sah, die von der Straße aus erreichbar waren. So eines fanden wir dann auch nach einiger Suche. Ich fuhr über eine Piste, die mehr ein Trampelpfad war, auf ein offenes Feld, eine Baufläche, oder was auch immer. "Das ist für heute unser Nachtlager", verkündete ich. Keinen Bock, ewig in die Pampa zu fahren, um dann ewig nach Nachtplätzen zu suchen. Der Platz war optimal (zur Erinnerung: optimal = so gut wie möglich): Nicht in der Stadt, nicht zu weit weg davon. Wir machten uns klar zum Übernachten. Zähneputzen, Bettenbau - Gabi schlief im Auto, Cat heute Nacht auch, nur ich bevorzugte die Sandbleche. Es ging schon wieder damit los, daß ich Mückenabwehr betreiben mußte. "Diese verdammten Tropen, die soll doch der Teufel holen, Zefix!" Wenigstens war die Temperatur noch so, daß man einen Schlafsack benutzen konnte. Pervers wird es nämlich erst, wenn es so heiß ist, daß man sich nicht in den Schlafsack legen kann, aber ohne Schlafsack von den verdammten Mücken zerstochen wird, daß man nicht mehr weiß, ob man ein Manschkerl oder ein Weiberl ist. Soweit waren wir noch nicht - es würde aber noch kommen, und allzubald, wie ich fürchtete.

Catarina wollte natürlich dennoch duschen und daher suchten wir nach einem Hotel oder nach einer Pension, die Duschen vermietete. "Schwuler Warmduscher". Er kam nach kurzer Zeit wieder zum Auto, um sein Duschzeug zu holen. Während Cat eben beim Verhandeln oder beim Duschen war, fuhr ich mit Gabi los, denn sie wollte etwas essen. Wir fanden einige Stände und bei einem kleinen, der Schokoriegel hatte, hielten wir. Gabi stieg aus, kaufte sich einen und stieg wieder ein. Sie stierte vorwärts und meinte, ich solle losfahren. "Hau ab, Alter." Ich kapierte erst nicht, was sie schon wieder hatte, aber als ich zu ihr hinübersah, bemerkte ich, daß ein Typ auf das Auto zuging. "Hau ab, Alter", sagte sie wieder, ohne den Blick zu ihm zu wenden. Sie stierte geradeaus auf die Straße und hieß mich endlich losfahren. Ich sah den Typen an und machte eine fragende Kopfbewegung. Er machte Gesten und sagte etwas, aber ich verstand ihn nicht, denn das Fenster war zu und der Innenraum wurde gabibedingt immer lauter. Ich fuhr halt dann eben los. "Was war jetzt das für ein Quatsch?" Ich kapierte es auch nach der Erklärung nicht. Hatte Gabi zu wenig für den Schokoriegel hingelegt? Der Typ hatte mir keinen aggressiven Eindruck gemacht. Weiß der Teufel - ich kann es nicht einordnen. Wir fuhren zurück und warteten auf Catarina, beobachteten die kaputten Leute, die diese Seitenstraße um diese Uhrzeit bevölkern. Meistens besoffene...

...von denen es sich der eine oder andere nicht nehmen ließ, an eine der Säulen zu pissen.

Erster Tag. Billanz: Trotz allem Fleiße alles Scheiße. Aber nur nicht entmutigen lassen. Ich wertete es als ein gutes Zeichen, daß ich ohne Schwierigkeiten in den Hafen gekommen war. Häfen sind immer eine harte Nuß. So, wie Flughäfen. Da greifen zum großen Teil internationale Standards und die Sicherheit ist enorm. Auf der anderen Seite ist genau da das Zeug zu finden, das genau eben dort überhaupt nicht zu suchen hat. Was da gedreht, geschoben, unter der Hand verschachert, geschmiert wird, das geht auf keine Kuhhaut. Und da geht es um Summen, die wir uns in unseren bescheidenen Verhältnissen gar nicht vorstellen können. Davon könnte man ganze Wüsten in blühende Landschaften verwandeln. Ich hoffe allerdings, daß da keiner auf den Trichter kommt.

Wie ich da so lag und einzuschlafen versuch, schon mit geschlossenen Augen, da merke ich, daß es hell wird. Es nähert sich ein Auto. Was soll das denn nun? Das Auto bleibt so stehen, daß unser Benz genau im Scheinwerferkegel steht. Eine Taschenlampe geht zusätzlich an und plötzlich fängt es über diesem seltsamen Auto an, rot zu blitzen. Polizei. Vier Polizisten steigen aus, zwei gehen in Stellung und nehmen ihre Karabiner in Anschlag. Ich richte mich auf und blicke genau in das Licht. "Hände hoch!" Ich folgte der Anweisung, möglichst ohne hastige Bewegungen zu vollziehen. Der Schlafsack war zum Glück offen, daher konnten sie zu jeder Zeit meine Pfoten sehen und wurden nicht nervös. Ich hopste herunter vom Gepäckträger - immer mit erhobenen Händen - und rief sie an: "Kein Grund zur Panik, meine Herrschaften, ich bin nur ein harmloser deutscher Tourist, der hier schlafen wollte. Bin unbewaffnet." Ob ich Papiere hätte. "Ja, in meiner rechten Knietasche..." Derjenige, der offensichtlich der Vorgesetzte war, kam auf mich zu. Catarina stieg aus dem Auto aus. Ruckartig nahmen sie ihn ins Visier. "Wenn die Herrschaften bitte die Waffen herunternehmen möchten, im Auto ist noch ein brasilianischer Tourist und eine deutsche Touristin, die übrigens sehr nervös wird beim Anblick von Waffen und unangenehm zu kreischen anfängt..." Sie nahmen auf Befehl des mich durchsuchenden Offiziers ihre Waffen tatsächlich herunter und ich rief die Besatzung zusammen - ebenfalls auf seinen Befehl hin. Anschließend ging der Offizier meine Papiere durch. "Ihr könnt hier nicht übernachten. Das hier ist "zona de muerte" (= Todeszone). Es sah so aus, als wolltet Ihr gerade einen Leichnam loswerden..." "Nein, ich habe keinen Platz für sowas in meinem Auto, da kann ich die Herren völlig beruhigen..."

Gabi war mittlerweile aufgewacht und stand draußen vor dem Auto. Fest stand wohl, daß ein Stellungswechsel vorgenommen werden mußte. Sie schlugen uns vor, entweder in die Stadt zu fahren und ein Hotel zu nehmen, oder noch etwas weiter hinauszufahren und bei der Mautstation zu übernachten. Dort seien Kollegen und es sei nicht so gefährlich. Was wir uns dabei überhaupt gedacht hätten, einfach hier in dieser gefährlichen Gegend zu bleiben. "Für mich sah es hier recht ruhig und friedlich aus und man stört niemanden..." Ruhig sei es wohl, allerdings nicht friedlich, denn gerade weil es hier nicht sehr bewegt sei, locke der Platz allerlei Gesindel an.

Sie waren aber in Ordnung, wollten kein Geld, keine Strafe bezahlt haben, nichts. Wir sattelten die 60 Pferde und fuhren wieder auf die Straße und dann nach links Richtung Osten, bis wir an der Mautstation angekommen waren. Dort stellten wir uns zwischen einige LKW und schlugen das Lager auf. Gabi kochte, ich betrieb Mückenabwehr. Nur gut, daß wir wieder in den Tropen sind. Und siehe da! Wer meckerte am meisten über die Drecksschnacken? Alles roch nach Autan. Weiß nicht, wieviel das hilft, aber wenn man mit Autan gestochen wird, dann kann man immer sagen, daß man ohne noch viel mehr gestochen worden wäre. Mein Erfolgsezept bleibt immer noch: Lange Ärmel, lange Hosen, nicht viel Bewegung. Und selbst dann stechen sie durch. Hier waren sie auch noch außergewöhnlich aggressiv. Dauernd dieses helle gesumme im Ohr. Man kann nicht in Ruhe essen. Das abspülen übernahm ich. Vor der Station gab es einen Wasserhahn, den ich zu diesem Zwecke benutzte. Und an dem Wasserhahn Milliarden von Mücken. Wenn man die Hände vor sich in der Luft zusammenklatschte, hatte man immer mindestens eine erwischt. Da wird das Abspülen natürlich zur Tortur, wenn man alle fünf Sekunden alles fallen lassen und eines dieser Drecksviecher zerklatschen muß.

Was für ein Tag! Soviel ist passiert und am Ende waren wir nur ein paar Kilometer weiter als zuvor, in einem anderen Land, aber dennoch keinen Millimeter näher an Zentralamerika. Was soll's. Wir würden es schon hinkriegen. Soviele Gedanken machte ich mir darüber in diesem Augenblick auch gar nicht, denn dazu war ich einfach zu müde. Die Temperaturen waren recht menschlich, der Schlafsack gerade noch angenehm. Auch das würde sich bald ändern... "Gute Nacht."


Voriger Tag Zum Anfang Nächster Tag

[Hauptseite] [Besolds W123] [Reiseberichte] [Gästebuch]
© by Markus Besold