Südamerikatour 2001
Sonntag, 19. August

Erst mal an einer nahegelegenen Tanke die Gelenkwelle inspiziert und neu verklebt. Wir hatten schon von unserem Schlafplatz aus erblickt, daß wir wohl am Sonntag erst mal wieder Maut zahlen werden müssen, was zwar bei dem Straßenzustand echt eine Frechheit ist, aber was soll man machen? Man hat ja nicht wirklich die Wahl einer anderen Strecke... also 10 Micky Maus für nichts und wieder nichts geblecht... und weiter ging's auf der lustigen Schaukel.

Scharfe Kurve an einem Steilen abhang.

Die Strecke war jedenfallse fabelhaft. Eine gesunde Gelenkwelle hätte einiges zum Wohlbefinden beigetragen, aber die lag und blieb in Augsburg - warum auch immer. Als verspäteter Morgengruß stand plötzlich vor uns ein Hang, von dem ich glaubte, wir würden es nicht schaffen. Man merkte am Leistungsverlust die Höhe, in der wir operierten. Eine Staubwolke etwa in der Mitte der Strecke entpuppte sich, nach längerem Hinsehen als LKW. Wir mußten warten, bis er den Hang geschafft hatte, denn abbremsen hieße, den Hang wieder rückwärts hinunterfahren und einen neuen Anlauf probieren. Man muß mit Vollgas an die Sache herangehen, beherzt, entschlossen, denn wenn man zögert, verliert man Geschwindigkeit und dann geht's von vorne, also von ganz unten, wieder los. Auch mit dem Lenken muß man sich zurückhalten, denn zu enge Kurven bremsen ab. Man muß also so weit vor wie möglich schauen und die Piste abscannen, mit möglichst leichten Lenkbewegungen das Auto an den großen Steinen vorbei den Hang hinaufjagen.

Im ersten Anlauf genommen.

Tagesbeschäftigung: Tour durch die Berge in Richtung Villazón... Abends wurde neben der Piste vor Cotagaita gekocht, anschließend sogar abgespült und Mangels "Inka-Cola" wurde Kokatee in Flaschen abgefüllt. Man kann ihn also auch kalt trinken. Ab und zu kamen wir über halbverrottete Behelfsbrücken, die ich nur deshalb befuhr, weil ich wußte, daß die LKW, die uns überholt hatten auch über sie hinweggefahren sein mußten - einen Abzweig gab es nicht und Wracks sahen wir keine. Auf diesen Brücken fuhr sich's wie auf Butter. Das Geholpere hört auf und man hört nur noch das sanfte Klappen der Bretter, die unter den Reifen nachgeben. Die ganze Sache wurde mir langsam unangenehm grün. Wir bewegten uns nun konstant bergabwärts.

Eine dieser wenig vertrauenerweckenden Brücken.

Landschaftlich a Draum, auch wenn man danach einen Bandscheibenvorfall hat. Ganz "witzig" war dann noch, daß wir Nachts 3-4 mal mehr oder weniger tiefe Schmelzwasserbäche durchqueren mussten. Also mindestens einmal hätte ich meinen Arsch drauf verwettet, daß das schief geht... aber James Besold und sein Gelände-Benz meisterten auch das.

Diese Wasserdurchquerungen waren anders als die anderen. Meistens waren es nur tiefe Pfützen, die man im Notfall entwässern kann. Hier ging es aber darum, daß die Schneeschmelze einen kompletten Gebirgsfluß mit mehreren Flußarmen quer über die Piste gezaubert hatte. Aber von vorn:
Es ist Nachts, ich fahre vor mich hin, rauche ab und zu mal eine Cigarette, Gabi schläft auf dem Beifahrersitz, die Pfützen werden immer mehr und immer größer. Einen oder zwei Kilometer nach einem kleinen Dorf stehen wir vor einem Bach. Ich meine hier einen richtigen Bach, kein Rinnsal und kein Bächlein. Ich hielt an, peilte die Lage. "Keine Peilung..." Gut, irgendwie muß es da durchgehen, es ist schließlich eine Piste. Ich versuchte von der weißleuchtenden Gischt auf "Untiefen" zu schießen, das heißt, ich wollte da fahren, wo es möglichst flach war und nach meiner Annahme ist es eben da flach, wo das Wasser Gischt bildet. Schräg zum Verlauf schien das zu gehen. Der Daimler schwankte zwar gewaltig hin und her, aber wir waren durch und Gabi war dabei nicht mal aufgewacht.

Baufahrzeuge, die Bauunternehmern gehören, die darauf warten, daß sich die Piste von selbst asphaltiert. Vermutlich staatlich.

Es dauerte nicht lange und es kam wieder eine ähnliche, doch kleinere Passage. Auch die brachte der Daimler hinter sich. Und wieder eine, ein Stückchen weiter. Auch der wurde durchquert, doch keine 100 Meter weiter war schon wieder sowas und ich erkannte zwei weitere Bäche hinter dem zu überwindenden. Auf einer Strecke von mindestens 50 m war keine Piste auszumachen, alles durchzogen von Wasser, dahinter schien die Piste weiterzugehen. Da fiel der Groschen. Wir befanden uns bereits mitten in einem Fluß, der mehrere Arme besaß. Hier war kein durchkommen möglich. Ich sagte ganz leise "Scheiße!", der Diesel stampfte im Leerlauf, da hör ich plötzlich neben mir "Ja, toll..." Jetzt war sie wach. Ich begrüte sie mit: "Das schaffen wir nicht, ist zu breit..." "Ja, und was machen wir jetzt?" Als ob ich das wüßte... "Einen anderen Weg suchen." Ich sah, daß die zwei vor uns liegenden Flußarme sich erst kurz vor der Piste bilden. Der Fluß fließt von links nach rechts, also wollte ich versuchen, es links neben der Piste zu probieren in der Hoffnung, daß es dort flacher sei, weil dort keine LKW fuhren. Ich fuhr also den gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren, aber rückwärts, da ein Wenden unmöglich war. Der erste Arm wurde auch rückwärts durchquert. Dann ging es runter von der Piste, der erste Arm wurde erneut durchquert und wir standen an der Stelle, an der sich die anderen zwei Arme bilden. Ich stand davor und sah, daß die Geschichte hier nicht unbedingt besser aussah als vorhin. "Besold, hör auf, das geht schief!" Einen Blick zu Gabi, einen Blick auf den Fluß... kurz überlegt, "Kannst Du Lümmel von einem Fluß nicht einfach zufrieren?" Dann Vollgas und mit schleifender Kupplung hinein in's kühle Naß. In dem Moment, in dem ich dachte, wir hätten das Schlimmste hinter uns sackt die Karre nach unten weg, um aber sofort wieder hochzukommen. Dann sackt sie hinten nochmals ab, aber da hatte ich die Kupplung schon ganz losgelassen und hielt geradewegs auf das andere Ufer zu. Die Karre rollt und stampft über locker drei Fahrzeuglängen durch diesen nassen Skandal, aber wir kommen heil am anderen Ufer an und sind nichtmal aufgesessen. Was genau Gabi geschrien hat, während wir durch den Fluß fuhren, das kann ich im Nachhinein nicht mehr sagen, aber war jedenfalls 'ne Menge.

S 21°39,513' / W 65°34,909'
Irgendwo in Bolivien.

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