Afrika 2000
Die Überfahrt
Dienstag, den 24. Oktober

Ein Superwetter, wie so meist. Sonnenschein, ein frischer Seewind, weit und breit keine Malariabomber, ja nicht einmal Fliegen. Die paar Bordfliegen störten nicht weiter, ich hatte sie fest im Griff. Und wenn sie durch eine offene Tür hinausflogen waren sie ohnehin todgeweiht. Da heute die Klimaanlage ausfiel war es ein schwarzer Tag für diese ekligen Viecher. Bullaugen und Türen blieben offen, es pfiff durch das Schiff, daß es eine wahre Freude war.
Ich schaute wieder mal "Titanic" an, hatte von dem Kauderwelsch ja eh nichts verstanden. Heute verstand ich schon mehr. Währenddessen brutzelten Almut und JB in der Kombüse Capatti zusammen. Das ist ein flaches indisches Brot, das ich aber ob seines Aussehens und vorhandener Marmelade sofort zu Pfannenkuchen umfunktionierte. Schmeckt auch fast genauso. Ich konnte mich echt nicht beschweren - außer vielleicht festzustellen, daß die Klimaanlage aus war - ich saß vor dem Fernseher, hatte einen Aschenbecher, eine Zitronenlimo und ab und zu brachte Almut einen bereits mit Marmelade und Puderzucker versehenen Chapatti-Pfannkuchen. So mag ich das. Nur keinen Streß, keine Anstrengungen und vor allem keine Termine, denn die bedeuten meistens beides. Ich glaube, wenn mir irgendwann aus irgendeinem Grund das Auto abhanden kommt, dann werde ich erst sterben und dann hauptberuflich Frachterpassagier. 10 US$ am Tag ist für diesen außerordentlich erstklassigen Service schon fast zu wenig. Almut würde wahrscheinlich eingehen, weil auf den 166 Metern kein Sportplatz, kein Berg, kein Baum und nichts ist, was auch nur entfernt nach Streß aussieht. Ist aber keine Kritik. Wenn alle Menschen so wären wie ich, dann würden wir alle heute noch auf den Bäumen sitzen, denn wie mir mal ein kluger Mensch schrieb: "Auch Dein 200D ist ein gutes Stück deutsche Wertarbeit". Ich hätte ihm ja auch Recht gegeben, wenn er weniger rabiate Worte benutzt hätte, aber so sind die Deutschen nun mal. Leben um zu arbeiten, ora et labora.
Alle sagen Geld würde den Charakter verderben, so auch Almut, ich bin der Ansicht, das Mangel an Geld den Charakter verdirbt. Darüber werden wir uns nie einig werden. Und Arbeit verdirbt sicher nicht den Charakter, dafür die Hände, die Wirbelsäule, das Hirn, die Freizeit und wenn's ganz schlimm kommt alles andere auch noch. Irgendwie versuchte ich Almut dazuzubringen, zu arbeiten und mir einfach das Geld zu geben, denn dann wärenbeider Wünsche erfüllt. Sie arbeitet sich kaputt und ich bekomm fürs Nichtstung Geld. Aber so wollte sie das auch nicht.
Da ist zum Beispiel etwas, was ich an den Negern sehr bewundert habe, um auch mal etwas positives zu berichten. Sie machen sich keine Birne um nichts, alles ist gerade egal, irgendwie passt es schon, das Leben ist wie das Wetter, was soll man dagegen machen? Andererseits ist das zwar sicherlich ein Grund, warum es in Afrika so aussieht, wie es aussieht, aber schlimmer noch wäre es, wenn ihnen das bewußt würde.
Zweimal setzten an diesem Tag die Maschinen aus. Die sind eben nicht von MAN oder Daimler, sondern von BMW (Hat der Käpt'n gesagt, auch wenn BMW keine Schiffsmotoren baut). Kein Wunder... Aber die Maschinenleute brachten sie keine zwei Stunden später wieder zum Laufen. Gute leute muß man eben haben - gute Leute...
Vor dem Abendessen wieder die Nachrichten abgehört. Und diesmal war auch was für uns dabei: Gbagbo erkennt Gueï nicht an, was zu Unruhen auf dem Plateau führt. Man sprach von 9 Toten. Warum gerade auf dem Plateau? Hätten die das nicht irgendwo draußen auf dem Land machen können.
Danach wieder Abendessen. Die Tischkonservation heute: Unsere Auffassungen über Verhaltensweisen bei Tisch. Mann! Was kann ich dafür, daß im Hintergrund ein Video läuft, in dem erschossen, erstochen, zertrappt, niedergemetzelt und explodiert wird, daß es nur so rauscht und ich da halt nun mal hinsehen muß?


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