Afrika 2000
Dritte Etappe
Dienstag, den 10. Oktober

Den Morgen schlugen wir irgendwie tot. Wir fuhren planlos in der Stadt rum, ich schaute in der brasilianischen Botschaft vorbei um nach einem Visum für Almut zu fragen. Wie erwartet sagte man mir dort, daß Deutsche für Brasilien keine Visa bräuchten. Schriftlich wollte sie mir das aber nicht geben, denn es seien schließlich internationale Abkommen und das könne man überall nachsehen. Wenn die Herren bei Clipper Fragen hätten, sollen sie einfach anrufen, sie würde es bestätigen. Schon um 13:00 Uhr standen wir vor dem Gebäude der SIVOM. Die hatten Mittagspause und wir verfielen in dumpfe Warterei. Es muß einfach klappen. Für was wären wir sonst hier. Gar nicht an den Rückweg denken. Almut schwärmte schon von Algerien. Blödsinn! Brasilien ist angesagt und wir müssen da hin. 10.000 km fahren ist eine Sache für die ich immer zu haben bin, allein der Kilometer willen, aber 10.000 km fahren und sich nicht darauf freuen können anzukommen ist eine Folter. Nur nicht dran denken.
Um Punkt 15:00 Uhr zogen wir los. Die Stunde der Entscheidung war angebrochen. Wenn wir hier rausgehen wir uns der erste Weg entweder ins Goetheinstitut oder zur mauretanischen Botschaft führen. Eines war sicher. Die Ungewißheit würden wir danach los sein.
Als wir zu Sam hineingingen hatte ich wieder dieses Zeugnisvergabe-Gefühl. Wir erzählten Sam als erstes das, was wir von der brasilianischen Botschafterin gehört hatten, nämlich, daß Deutsche für Brasilien keine Visa bräuchten und da es sich um internationale Abkommen handle, könne man mir das nicht schriftlich geben. Das schrieb er auch so nach Houston.
Wir nahmen unsere Meldungen aus Houston entgegen:

Houston an Abidjan, 9. Oktober 2000, 17:18 Uhr (Ortszeit Abidjan)


Subject: Quotation

Samuel / Thomas

Thanks yr message,
We are checking with owners and will revert if possible to accomodate this couple.

Regards
Clipper Americas Inc.
as agents only

Jawohl!!! Na, also! Das war's schon - sogut wie. Die Gesellschaft war einverstanden, das war schon mal die Hauptsache. Was der Schiffseigner dazu sagt kann nicht wichtig sein, denn es sind ja mehrere Schiffe und irgendein Owner wird schon damit einverstanden sein. Es galt nur noch, eine positive Antwort abzuwarten.
Wir blieben noch ein wenig, gingen die Einzelheiten durch, morgen sollten wir unsere Letter of Indemnity bekommen. Unsere Pässe wurden Kopiert und nach Houston geschickt und eigentlich waren hier die Weichen gestellt. Interessehalber fragten wir, was denn von Brasilien nach Afrika geht und umgekehrt. Brasilien liefert, wie wir vermutet hatten, Autos. VW und Opel, Modelle, die es in Europa nicht gibt. Es wird auch Papier von dort geliefert und Baumaterial. Anschließend fuhren wir ins Goetheinstitut. Ich hatte die Absicht, dort im Internet zu versumpfen. Aber erstmal 'Hallo' sagen. War nicht viel los. Fünf Neger und zwei hübsche Mädels aus Germany, wie sich bald herausstellte, waren das Praktikantinnen - was machen die hier..? Doch wie ich es auch anstellte, das eMailen wollt mir nicht gelingen. Ein eMail abzuschicken dauerte 7 Minuten. Ich suchte nach Almut und fand sie im Nebenzimmer, im Gespräch mit der Bibliotheksleiterin vertieft. Sie war schätzungsweise Ende 30, aus Bonn und hieß Brigitte.
Nachdem aus dem Internet nichts schlug sie vor, daß wir zu "Walter" gehen. "Gut..." Wir fuhren zwei Blocks, stiegen aus und betraten eine Wirtschaft, in bayerischem Stil, wie man sie von Daheim kennt. Gefällt auf Anhieb. Und was bestellen wir? Natürlich ein Spezi. War nicht einfach, der Bedienung das klarzumachen. Die können sich nämlich immer nur eine Sache merken, also muß man ein Cola, dann ein Fanta und dann ein "großes Glas" bestellen. Letzteres so lange, bis sie einen Krug anbringt. Oder man macht es so wie Brigitte, bei der klappt es immer auf Anhieb, frag mich keiner, wie das geht. Hier blieben wir den restlichen Abend und es kamen immer mehr Deutsche herein. "Ein Stück Heimat, sozusagen..." Einer war Kakaoexporteur, der andere lebte hier einfach so, weiß nicht von was, der nächste hat hier abgemustert und lebt seitdem auch hier - er wird "der Käpt'n ohne Schiff" genannt. Ein sehr witziger Haufen, kann man nichts sagen. Das Wort 'Die besten Deutschen trifft man im Ausland' scheint seine Gültigkeit nicht verloren zu haben. Ganz sicher gilt immer noch ein zweites Wort, das ich einst von Australiern gehört habe: "Wherever you go, you will allways find a packet of Marlboro, a bottle of Coke and at least one German." Stimmt! Sorgen wir, daß es so bleiben möge. Wenn die Menschen in Deutschland vom Schlage dieser hier wären, dann wäre es mir schwergefallen, Deutschland zu verlassen. Allerdings ist es meiner Meinung nach eine bestimmte Menschensorte, die man hier, fern der Heimat trifft, Abenteurer, Vabanquespieler, Juppies, Businessmen, Europaflüchtlinge; sie wollen was anderes sehen, was kennenlernen, was begreifen, was erleben, über den bundesdeutschen Tellerrand rausschauen, allesamt. Das macht sie zu sehr angenehmen Zeitgenossen. Man ist hier nicht fehl am Platze. Walters Wirtschaft verdient das Prädikat Das beste Restaurant in Westafrika. Auch hier fragten wir nach Verschiffungsmöglichkeiten. Es hieß, man würde mal nachfragen und sich darum kümmern. Aber gehört hatte noch keiner was davon. Auch der Käpt'n ohne Schiff - er war nicht anwesend, wurde aber angerufen - meinte, es sei völlig ausgeschlossen, daß da Passagiere mitfahren. Es stellte sich heraus, daß er vor ein paar Tagen mit Mario gesprochen hatte und auch von Mario nach Verschiffungsmöglichkeiten gefragt wurde. Und Mario hatte wegen uns gefragt, so schloß sich der Kreis.
Es gesellte sich ein weiterer Deutscher zu der Runde, der frisch aus Südafrika eingetroffen war. Da wurde ich natürlich neugierig und fragte ihn, wie es da unten ausieht. Nicht sehr gut, aber die Geschäfte laufen. Ihm gehört dort eine Firma, die Firmensoftware entwickelt und er erzählte, daß seit Ende der Apartheid vieles den Bach hinunterginge. Die Regierung in Südafrika hat Gesetze erlassen, die dem schwarzen Bevölkerungsanteil zugute kommen sollten und dabei ist einiges nach hinten losgegangen. Ein Beispiel, das ich sehr interessant fand:
In den Firmen soll ein überwiegender Prozentsatz Schwarze eingesetzt werden, AUCH in der Führungsebene. Soweit, sogut, aber Südafrika ist auch Afrika und in der Praxis sieht das dann so aus, daß ein Neger daherkommt, sich für die Arbeit als Leiter dieser oder jener Abteilung meldet, aber naturgemäß nicht arbeiten will. Die Firma stellt ihn offiziell an, setzt ihn somit auf die Gehaltsliste und zahlt ihm, der ja nie zur Arbeit erscheint ein... sagen wir... für die Firma tragbahres Gehalt. Er geht zur nächsten Firma und macht dort das gleiche Spiel. So ist jeder zufrieden. Er kann sich eine C-Klasse oder einen 3er-BMW leisten, die Firma kann ihren Prozentsatz vorweisen, alles wunderbar. Aber es ist nicht im Sinne des Erfinders und hilft auf lange Sicht niemandem.
Keiner von denen fand es eine gute Idee, daß wir vorhatten, auf dem Camping in Grand Bassam zu übernachten. Es sei definitiv zu gefährlich. Brigitte bot uns an, daß wir bei ihr übernachten. Warum nicht? Ausgangssperre galt ja immer noch und wir machten uns rechtzeitig auf den Weg. War nur blöd, weil wir den Camping nicht bezahlt hatten, aber als Pfand waren ja noch unsere Wäsche und die Schlafsäcke dort. Wesentlich mehr als der Rechnungswert. Morgen, halt...


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