Libyentour 1999
Freitag, 13. August

Etwa um fünf Uhr früh war ich endlich fertig. Die anderen schliefen längst. Nach drei Stunden Schlaf ging es schon wieder los. Ich konnte bis zur Grenze pennen, denn fahren durfte ich ja nicht, oder besser gesagt, ich darf mich beim Fahren nicht von den grünuniformierten Staatskötern erwischen lassen. Aber soweit war es noch nicht. Einige Vorbereitungen standen immer noch aus - es muß ja immer alles auf den letzten Drücker geschehen, sonst ist es langweilig.

Ich war der festen Überzeugung, die Fähre ginge um 19:00 Uhr in Genua ab. Als ich auf den Tickets zur Sicherheit nachsah, stand da was von "Last check-in 16:00 Uhr" - Oha. Ich hatte da mal wieder was verwechselt. Und immer noch fehlte das GPS. Proviant wurde eingepackt. Dabei kam der Anruf vom Navigator des Vorjahres. Die TU-München hatte ihn auf seine Anfrage hin auf den Därr verwiesen. Sofort ging es los nach München (damals wußte ich noch nicht, daß es zwei Straßen weiter auch welche gab - statt 500 m fuhren wir nun die 50 km nach Osten, genau in die falsche Richtung), wo in aller Eile ein GPS gekauft wurde und es unverzüglich mit äußerster Kraft voraus in Richtung Genua weiterging, so schnell dies eben mit einem vollbeladenen 200D im deutschen Verkehr möglich ist.

Glücklicherweise kam es weder zu einem Stau noch zu einem unnötigen Grenzaufenthalt. Um 13:05 Uhr passierten wir die Grenze Österreich - Schweiz, um 15:45 Uhr waren wir in Italien, wo es sich bis zum letzten kurvigen Stück vor Genua schon merklich besser fahren ließ.
Kurz vor 6 waren wir wieder am Hafen von Genua. Die Fähre gab ich schon verloren, weil die DAME M nirgends zu sehen war. Nur die HABIB stand da und sah aus, wie ein Geisterschiff. Die Frachtraumklappe offen, keine Autos davor, keine Menschen an Deck, die Zufahrt versperrt. Nach zweimaligem Auf und Ab fanden wir wenigstens das Büro der Fährgesellschaft und versuchten dort etwas herauszufinden. "DAME M gib's keine". Die sei heute durch die HABIB ersetzt worden und wir sollten uns beeilen.

Der Rest verlief recht zackig: Aufsitzen, Gas..., den Hangar gestürmt, Meldezettel irgendwie ausgefüllt. "Dreck, weiß jemand, der wievielte heute ist?" - "Schreib doch irgendwas hin, liest sowieso keiner!", und abstempeln lassen, eingestiegen, Gas...in Richtung HABIB, Meldezettel wieder bei der Polizei abgegeben, Barrikade sanft umgefahren und um Punkt 18:12 Uhr hinein in den kühlen Frachtraum. Geschafft! "Gerade noch" - so dachten wir. Von wegen. Wir waren nicht die letzten. Genau hinter uns gab es eine nette Show: Der Beifahrer eines Tunesiers aus Bochum schlug wohl vor lauter Freude darüber, es doch noch auf die Fähre geschafft zu haben seine Wagentüre zu, hatte dabei aber den Schlüssel lieber im Innenraum gelassen und sicherheitshalber die Fahrertür zuvor verriegelt.

Da war das Geschrei wieder groß...

Für das geschulte Schiffspersonal jedoch kein Problem. Innerhalb einer Stunde hatten sie den Mazda geknackt. Nun erst mal in die Kabine und sich vom Streß erholen. Mein Herz geht an Bord und fort muß die Reise gehn...

Almut lernte mit Harri Latein. Der mußte sich auf irgendeine Prüfung vorbereiten. Mich wunderte diese Disziplin. Niemals könnte ich die Aufbringen. Wir waren auf dem Weg nach Libyen, was interessierte mich da eine Prüfung, die irgendwann in Monaten stattfindet? Erst ergründete ich das Schiff, ging in jede Tür, die nicht abgesperrt war, sah nach, was es dort so gab. Ich stellte fest, daß mir sowas als Kind mehr Spaß gemacht hatte. Das einzige, was jetzt im hohen Alter besser war, war daß es keinen Anschiß mehr seitens der Eltern gab. Nun bekam ich den Anschiß direkt vom Personal, konnte mich aber immer gut mit "nix verstänn" aus der Affäre ziehen. Dann las ich den Kant in der Kajüte, um etwas für meine Bildung zu tun. Der restliche Abend verlief ruhig. Kaum Seegang, schöner Sonnenuntergang. Ab in die Falle.


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